Ifo-Chef Sinn: Der Euro ist ein Gefängnis
Archivmeldung vom 03.07.2014
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittUnmittelbar vor der Zinsentscheidung der Europäischen Zentralbank (EZB) hat ifo-Chef Hans-Werner Sinn seine Kritik an der Notenbank erneuert. Zudem plädiert der Wirtschaftsforscher dafür, dass Krisenländer den Währungsblock verlassen können. Zumindest temporär sollte das möglich sein, um über eine Abwertung der Währung die Wettbewerbsfähigkeit zurückzugewinnen. "Ein Euro, in den man nur ein- aber nicht austreten kann, ist ein Gefängnis", sagte Sinn im Interview mit dem Wall Street Journal Deutschland.
Dies sei nur im Interesse derer, "die ihr Geld da angelegt haben, weil bei einem Austritt automatisch an einen Schuldenschnitt gedacht würde. Für die Bevölkerung dieser Länder ist es aber nicht die richtige Strategie, sich an den Euro zu klammern", sagte Sinn.
Erneut kritisierte Sinn massiv das Vorgehen der EZB und ihres Präsidenten Mario Draghi. Die EZB überschreite ihr Mandat, sagte Sinn. "Faktisch hat sie die Investoren rausgehauen und das Risiko dem Steuerzahler aufgebürdet", erklärte er. Die EZB habe ihren Auftrag weit überschritten und mache sich zur Gläubigerin ungesunder Banken. "Die EZB hat nicht das gleiche Mandat wie die US-Zentralbank Fed und tut trotzdem mehr als die Fed, indem sie Staatspapiere der Gliedstaaten aufgekauft hat", sagte Sinn.
Gleichzeitig warnte Sinn vor der Gefahr, "dass Verluste auftreten". Die EZB mache sich in großem Umfang zur Gläubigerin von Banken, die vielleicht nicht mehr ganz gesund seien, ohne dafür ausreichende Sicherheiten zu bekommen. "Und wenn diese Banken Pleite gehen, dann liegen die Verluste bei den Eigentümern der EZB, nämlich bei den Steuerzahlern der Eurozone."
Die Zinspolitik der EZB vergeude außerdem Zeit, weil sie es den Regierungen erlaube, Reformen aufzuschieben. "Wir sind heute vier Jahre weiter als im Frühjahr 2010, und es ist seitdem an Reformen kaum etwas geschehen", sagte Sinn. Es gebe nur eine Ausnahme: "Das einzige Land, das in der Eurozone den Gürtel enger geschnallt hat, war Irland. Die Iren haben damit allerdings schon 2006 angefangen, und zum Zeitpunkt der Lehman-Krise hatten sie schon einen Großteil der nötigen realen Abwertung durch Preis- und Lohnsenkungen zurückgelegt."
Link zum Artikel: http://www.wsj.de/article/SB10001424052702303674604580006400817513446.html
Quelle: Wall Street Journal Deutschland