Zeitung: VW erhielt früh Hinweise auf Schummelsoftware
Archivmeldung vom 07.03.2016
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Volkswagen-Konzern hat offenbar früh Hinweise auf gefälschte Abgaswerte bei Dieselautos erhalten: "Nach dem derzeitigen Ermittlungsstand verdichteten sich bei Volkswagen ab Ende Mai 2015 zunehmend die Hinweise darauf, dass es zum Einsatz einer gegen US-Recht verstoßenden Software gekommen sein könnte", heißt es dem "Handelsblatt" zufolge in einer Klageerwiderung, mit der sich das Unternehmen gegen Schadensersatzforderungen enttäuschter Aktionäre wehrt.
Mitte Mai 2015 habe ein Mitarbeiter der Rechtsabteilung demnach Hinweise auf "einen möglichen Einsatz eines sogenannten Defeat Device" erhalten. Volkswagen hat bei bis zu elf Millionen Dieselautos mit einer illegalen Software ("Defeat Device") die Abgaswerte gedrückt, um die Grenzwerte einhalten zu können. Mehrere Behörden ermitteln daher gegen den Konzern. Trotz dieses schwerwiegenden Verdachts habe der Rechtsexperte laut der Klageerwiderung nichts unternommen, berichtet das "Handelsblatt" weiter.
Bei einer Besprechung am 27. Juli 2015 hätten einzelne VW-Mitarbeiter abseits des Protokolls möglicherweise erstmals mitgeteilt, "dass der Dieselthematik eine Softwareveränderung zur Beeinflussung des Abgasverhaltens auf dem Prüfstand zugrunde liegt", heißt es der Zeitung zufolge weiter in dem Dokument.
Der Dieselbetrug wurde schließlich am 18. September von den US-Umweltbehörden EPA und Carb öffentlich gemacht. Diese werfen VW vor, die Aufarbeitung seit dem Frühjahr 2014 verschleppt zu haben.
Automobilexperte: VW-Aufsichtsrat sollte Winterkorn verklagen
Angesichts neuer Erkenntnisse zu den zeitlichen Abläufen in der VW-Abgasaffäre rät der der Professor für Automobilwirtschaft, Ferdinand Dudenhöffer, dem VW-Konzern, vorsorglich Klage "wegen erheblicher Pflichtverletzungen" gegen den ehemaligen VW-Chef Martin Winterkorn zu erheben. "Wird das nicht getan, erhöht sich das Risiko, dass der VW-Konzern in hohem Umfang haften muss", sagte Dudenhöffer den Zeitungen der Funke-Mediengruppe. Insgesamt stelle sich die Frage, "warum der Aufsichtsrat bisher diesen Schritt noch nicht getan hat", sagte er. Auch der heutige Aufsichtsratsvorsitzende Pötsch scheine erheblich durch Versäumnisse bei der rechtzeitigen Information seiner Aktionäre belastet: "So wie es aussieht, hatte Herr Pötsch viel früher über den Einsatz der Defeat Device Bescheid gewusst", so Dudenhöffer. "Damit stellt sich die Frage, ob er als Aufsichtsratsvorsitzender noch tragfähig ist." Hier gehe es um weitere erhebliche Belastungen für den VW-Konzern, die Schäden in Milliardenhöhe nach sich ziehen könnten. Wichtige Aufsichtsratsmitglieder müssten sich jetzt deutlicher zum Sachverhalt äußern, forderte der Experte. "Insbesondere der Ministerpräsident von Niedersachsen, Herr Stephan Weil, der auch Präsidiumsmitglied ist, darf nicht länger den Skandal aussitzen", so Dudenhöffer. "Als Landesvater hat er als moralische Instanz die Pflicht, sich jetzt konkret zu äußern und mit dem Land vorsorglich den früheren Vorstandsvorsitzenden wegen grober Pflichtverletzung zu verklagen." Unverständlich sei ohnehin, "dass sich ein Ministerpräsident einfach so über die Regeln der Coporate Governance hinweggesetzt hat und Vorstände ohne Zeitverzug in den Aufsichtsrat mit hievt", kritisierte Dudenhöffer.
Quelle: dts Nachrichtenagentur