Ex-Arcandorchef Middelhoff: "Mit mir hätte es diese Insolvenz nicht gegeben"
Archivmeldung vom 20.08.2019
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Freigeschaltet durch André OttIn diesem Jahr jährt sich zum zehnten Mal die Insolvenz von Arcandor, dem ehemaligen Mutterkonzern von KarstadtQuelle. Der frühere Vorstandsvorsitzende des Handelskonzerns Thomas Middelhoff sieht darin im Interview mit dem Internetportal Etailment (dfv Mediengruppe) bis heute einen vermeidbaren Fehler: "Mit mir hätte es diese Insolvenz nicht gegeben."
Das neue Buch, das er in dieser Woche vorstellt, trägt den Titel "Schuldig". Middelhoff hatte seinen Posten im Februar 2009, wenige Monate vor Anmeldung des Insolvenzverfahrens im Mai, aufgegeben. Im November 2014 wurde er vom Landgericht Essen wegen Steuerhinterziehung und Betrug in 27 Fällen zu drei Jahren Haft verurteilt, von denen er zwei Jahre und sieben Monate verbüßte. Inzwischen berät er Start-ups.
Middelhoff steht wie kein anderer deutscher Top-Manager für Aufstieg, Größenwahn und Fall. Heute gibt er sich geläutert, beschreibt in Büchern seine Zeit im Gefängnis ("A115") und seine Erfahrungen mit dem Scheitern und Wiederaufstehen. Sein aktuelles Buch "Schuldig" stellt er am Dienstag dieser Woche in Berlin vor.
Im Etailment-Interview bezeichnet der einstige Überflieger der deutschen Wirtschaft seinen damaligen Charakter als "gierig", "hochmütig" und "süchtig nach Aufmerksamkeit". Die Lebenspleite ("Reputation: kaputt. Wirtschaftliche Verhältnisse: kaputt. Beruf, Gesundheit, Familie: kaputt.") und die Arbeit in einer Werkstatt für behinderte Menschen habe ihn aber demütig gemacht. "Ich sitze nicht hier und sage, dass die anderen schuld sind. Ich bin selbst schuld, durch meine eigenen Fehler."
Den Kindern des ehemaligen Drogeriekönigs Anton Schlecker, die nach der Insolvenz ihres Unternehmens zu mehr als zwei Jahren Haft verurteilt wurden, rät er zu Freimütigkeit: "Wenn man sich selbst klar macht, dass ganz Deutschland weiß, dass du in Haft bist, dann kann man beginnen, darüber offen zu reden. Ich würde auch den Schleckers raten, offen damit umzugehen."
Middelhoff, der nach Privatinsolvenz vom pfändungssicheren Teil seiner Bertelsmann-Pension lebt, holt die Vergangenheit immer wieder ein. Die Staatsanwaltschaft ermittelt noch immer. Es geht um Millionensummen, die der Manager vor seiner Privatinsolvenz verschoben haben soll. "Die Vorwürfe passen zu meinem Image. Man sagt sich: Irgendwo wird er schon seine Millionen haben", kommentiert er das Verfahren.
Middelhoff war von November 1998 bis Juli 2002 Vorstandschef des Medienkonzerns Bertelsmann. Im Juni 2004 wurde zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG bestellt, knapp ein Jahr später wurde er Vorstandschef. Am 1. März 2009 löste ihn Karl-Gerhard Eick ab, der dann zwei Monate später Insolvenz anmeldete.
Quelle: Der Handel (ots)