Wahrgenommene Inflation mehr als viermal so hoch wie amtliche Inflationsrate
Archivmeldung vom 27.09.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Rahmen der diesjährigen Statistischen Woche, die in diesem Jahr vom 26. bis 29. September in Braunschweig stattfindet, wurde der von Professor Brachinger von der Universität Fribourg (Schweiz) entwickelte und in Kooperation mit dem Statistischen Bundesamt berechnete „Index der wahrgenommenen Inflation (IWI)“ heute bei einem Pressegespräch erstmals vorgestellt.
Dieser Index weist für die Zeit vom Januar 2001 bis zum Dezember
2002, das heißt in der Zeit ein Jahr vor bis ein Jahr nach Einführung
des Euro-Bargelds in den Mitgliedstaaten der Eurozone, in Deutschland
mit monatsdurchschnittlichen 7% eine Inflationsrate aus, die mehr als
viermal so hoch war wie die vom amtlichen Verbraucherpreisindex
ausgewiesene Rate. Das lässt sich damit erklären, dass in dieser Zeit
überdurchschnittlich große Preiserhöhungen gerade bei solchen Gütern
auftraten, die durch eine überdurchschnittlich hohe Kaufhäufigkeit
gekennzeichnet sind.
„Mit dem IWI haben wir – ausgehend von Erkenntnissen der
Wahrnehmungspsychologie – die subjektive Inflationswahrnehmung der
Konsumenten nachgebildet“, hielt Professor Brachinger fest. „Der IWI
basiert auf drei wesentlichen Annahmen. Erstens werden
Preissteigerungen höher bewertet als Preissenkungen. Zweitens schlägt
es besonders zu Buche, wenn häufig gekaufte Produkte teurer werden.
Und drittens orientiert sich die Wahrnehmung seit der Einführung des
Euro-Bargeldes noch an einem mittleren letzten D- Mark-Preis, dessen
Einfluss allerdings abnimmt.“
Die Analysen zeigen ferner, dass die Inflationswahrnehmung auch
2005 auf einem Niveau von monatsdurchschnittlich 7,4% verharrt und
damit in etwa auf dem Niveau der Zeit um die Euro- Bargeldeinführung.
Es besteht also nach wie vor ein sehr deutlicher Unterschied zwischen
wahrgenommener und amtlich ermittelter Inflation.
Frau Dr. Bechtold vom Statistischen Bundesamt erläuterte das
außerordentliche Interesse der amtlichen Statistik, dass deren
Ergebnisse nicht nur von Experten, sondern auch von der breiten
Öffentlichkeit akzeptiert werden. Es ist daher ein wichtiges
Anliegen, die Kluft zwischen wahrgenommener und gemessener Inflation
zu untersuchen und zu berechnen, um die Glaubwürdigkeit der amtlichen
Preisstatistik stärken zu können. Aus diesem Grund hat das
Statistische Bundesamt Wissen und Zeit seiner Preisstatistikexperten
in das Projekt investiert. Mit den nun vorliegenden Ergebnissen kann
besser erklärt werden, wieso es zu Unterschieden zwischen subjektiver
Inflationswahrnehmung und amtlich ermittelter Teuerung, also Messung
der Geldwertstabilität, kommen kann.
Professor Mosler, der Präsident der Deutschen Statistischen
Gesellschaft, erklärte dazu: „Die vorgestellten Ergebnisse sind ein
deutlicher Beleg dafür, dass wir umso mehr statistische Daten
benötigen, je schneller sich unsere Lebensverhältnisse ändern. Die
Deutsche Statistische Gesellschaft begrüßt daher ausdrücklich die
Zusammenarbeit zwischen amtlicher Statistik und Wissenschaft."
Quelle: Pressemitteilung Statistisches Bundesamt