Wirtschaftsweiser Franz: In der nächsten Rezession deutlich über vier Millionen Arbeitslose
Archivmeldung vom 16.04.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.04.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittOhne Reformen auf dem deutschen Jobmarkt könnte die Arbeitslosigkeit in der nächsten Wirtschaftskrise wieder deutlich steigen. "Wenn die Regierung nichts für die Problemgruppen tut, werden wir in der nächsten Rezession wieder deutlich über vier Millionen Arbeitslose kommen", sagte der Wirtschaftsweise Wolfgang Franz dem "Tagesspiegel".
"Zurzeit sinkt
hauptsächlich die konjunkturbedingte Arbeitslosigkeit - davon
profitiert aber nur rund ein Fünftel der Stellensuchenden",
bemängelte Franz, der auch Chef des Zentrums für Europäische
Wirtschaftsforschung (ZEW) in Mannheim ist, mit Blick auf
Langzeitarbeitslose und Geringqualifizierte.
Wenn es schon keine Mehrheiten für einen Abbau des
Kündigungsschutzes und flexiblere Tarifgesetze gebe, müsse es einen
Kombilohn geben, riet er. Franz rief die Koalition auf, den
Niedriglohnsektors zu reformieren. "Wenn es die Koalition nicht
schafft, sich hier auf einen vernünftigen Kompromiss zu einigen und
sich auch beim Kündigungsschutz nichts tut, bleibt es bei der hohen
Sockelarbeitslosigkeit." Einen Mindestlohn lehnte Franz kategorisch
ab. "Das wäre das Falscheste, was man tun kann." Dann gingen
massenhaft Stellen im Niedriglohnbereich verloren, weil der
Mindestlohn Arbeit genau dort verteure, wo es am schädlichsten sei.
"Die Arbeitslosen fallen dann wieder den Sozialkassen zur Last, und
der Staat nimmt weniger Steuern ein. Der Mindestlohn rechnet sich
nicht", urteilte Franz. Stattdessen müsse man die unteren Löhne von
drei oder vier Euro womöglich "noch einmal senken, damit mehr Stellen
entstehen".
Das Wirtschaftswachstum beurteilt Franz etwas zurückhaltender als andere Ökonomen. "Um die zwei Prozent dürften es in diesem Jahr sein, vielleicht etwas mehr", prognostizierte er. Dabei würden "einige Hunderttausend Arbeitsplätze entstehen". Wie lange der Aufschwung dauere, "haben wir selbst in der Hand", sagte er mit Blick auf die Regierung und die Tarifparteien. Zu hohe Tarifabschlüsse, etwa in der Metallindustrie, würgten den Aufschwung ab, warnte er.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel