Ist Lebensmittelladen Edeka im Wettbewerb zu übermächtig?
Archivmeldung vom 06.03.2009
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Freigeschaltet durch Oliver RandakTrotz Kritik des Markenverbandes konnte das Unternehmen Edeka seinen Rivalen Plus aufkaufen. Die Sorgen, so der Verband, es sei ein "Missbrauch der Marktmacht", d.h. Edeka soll Rechnungen an Zulieferer nicht zahlen und fordert Preisrabatte von bis zu zehn Prozent.
Schon wieder gibt es Zoff zwischen Edeka und seinen Lieferanten: Der Markenverband wirft Deutschlands größtem Lebensmittelhändler vor, die Hersteller bei den aktuellen Preisverhandlungen auszupressen. „Viele Markenartikelhersteller sehen sich existenziell bedroht“, teilt der Verband mit und drohte mit juristischen Schritten. Er wirft Edeka im Zusammenhang mit der Übernahme der Discounterkette Plus mit fast 2500 Läden „Missbrauch der Marktmacht“ und „Anzapfungsversuche“ vor. Edeka versuche, einen Teil der Übernahmekosten auf die Industrie abzuwälzen, indem das Unternehmen deutlich günstigere Lieferpreise verlange. In der Branche ist von bis zu zehn Prozent Rabattforderungen die Rede. Zudem fordert Edeka mehr Zeit, um seine Rechnungen zu bezahlen – das spart Geld auf Kosten der Geschäftspartner.
Netto wird mit insgesamt 3800 Filialen und einem Gesamtumsatz von rund zehn Mrd. Euro Deutschlands drittgrößter Discounter nach Aldi und Lidl.
Die beiden Marktführer liefern sich seit Jahresbeginn eine Preisrunde nach der anderen. Derzeit werben sie mit Preisabschlägen von bis zu 32 Prozent für Produkte wie tief gefrorenes Cordon Bleu, Kaffee, Lammsteaks, Chicken Chips oder Rasierwasser. Aldi inserierte seine Preissenkungen am Donnerstag gleich auf Doppelseiten in großen Tageszeitungen. Lidl gab sich bei der Reklame etwas bescheidener, reduzierte den Preis von Rotkäppchen-Sekt aber um 31 Prozent und den von Dallmayr-Kaffee um 32 Prozent. Edeka hatte bereits vor der Genehmigung der Übernahme von Plus durch seine Discounter-Tochter Netto angekündigt, im Preiskampf mithalten zu wollen.
Weil seit Monaten zahlreiche Rohstoffe billiger werden, können die Händler die Preise auch am Regal reduzieren – und hoffen, damit den Konkurrenten Kunden abzujagen. Besonders deutlich war der Preisverfall zuletzt bei Milch und Butter.
Unabhängig davon ist der Einzelhandel ohnehin geübt darin, in besonderen Fällen immer neue Rabatte zu erfinden, um seine Einkaufskosten bei der Industrie zu drücken. Besonders beliebt ist bei Übernahmen – wie jetzt im Fall von Plus – der sogenannte „Hochzeitsrabatt“. Der Einkaufsvorstand der Edeka, Gerd Schambach, gilt als besonders gnadenloser Preisverhandler.
Edeka ist im Lebensmittelhandel mit einem Marktanteil von 25 Prozent und einem Umsatz von 40 Mrd. Euro die Nummer eins in Deutschland und damit einer der bedeutendsten Abnehmer für die Industrie. Deshalb fürchtet der Markenverband die Marktmacht der Hamburger besonders. Schon während der Prüfung der Plus-Übernahme durch das Bundeskartellamt im vergangenen Jahr warnte der Verband mehrfach davor, Edeka könnte seine starke Machtstellung bei den Preisverhandlungen ausnutzen. Der Streit beider Parteien ist indes noch älter: Als Edeka 2005 Spar und Netto übernahm, protestierte der Markenverband ebenfalls.
Edeka bestätigte WELT ONLINE jetzt Preisverhandlungen im Zusammenhang mit der Plus-Übernahme. Eine Sprecherin verwies jedoch darauf, dass auch die Lieferanten „über höhere Absätze und zusätzliche Wachstumschancen profitieren“. Seit Anfang des Jahres flaggt Edeka jede Woche 30 Plus-Läden auf seine Discounter-Marke „Netto“ um.
Seit Jahren allerdings steigt auch die Marktmacht der verbliebenen Hersteller gegenüber dem Handel, weil immer mehr kleine Anbieter verschwinden. „Dass die Zahl unserer möglichen Lieferanten sinkt, wird zunehmend zum Problem. Für Speiseeis etwa gibt es praktisch nur noch zwei große Anbieter in Deutschland“, sagte unlängst Manfred Esser, Einkaufsvorstand beim Edeka-Konkurrenten Rewe.