3500 Wohnungen werden privatisiert
Archivmeldung vom 19.05.2005
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Freigeschaltet durch Michael DahlkeDeutschlands größter Immobiliendeal, der Verkauf von 152.000 Wohnungen an einen britischen Investor, hat auch Auswirkungen auf München. Ein Bericht der Süddeutschen
Deutschlands größter Immobiliendeal, der Verkauf von 152.000 Wohnungen an einen britischen Investor, hat auch Auswirkungen auf München. Die 3500 Wohnungen der Deutschbau werden privatisiert. Durch ausländische Investoren steht auch der hiesige Markt vor einer schleichenden, aber grundlegenden Veränderung: Die Zahl preiswerter Mietwohnungen dürfte noch schneller als bisher schrumpfen.
In Zeiten der „Heuschrecken“-Angst wird das Tun ausländischer Investoren auch auf dem Immobilienmarkt argwöhnisch verfolgt. Mit dem Verkauf der Viterra an die Deutsche Annington, die einer britischen Private Equity Gesellschaft gehört, wechseln auch die 3500 Münchner Wohnungen der Viterra-Tochter Deutschbau den Eigentümer.
Die Deutschbau ist eine ehemals gemeinnützige Gesellschaft des Bundes und der Post, ihre Wohnungen sind über das ganze Stadtgebiet verteilt, weitere 800 befinden sich im Umland.
An den Neubauprojekten der Viterra, unter anderem in der Parkstadt Schwabing, dürfte sich vorerst nichts ändern, heißt es aus der Konzernzentrale.
Bei der Deutschen Annington will man den Mietern die Angst nehmen. Man werde sozialverträglich privatisieren und die Wohnungen immer zuerst den Mietern zum Kauf anbieten. Dies sei bundesweit bereits bei knapp 11.000 meist ehemaligen Eisenbahner-Wohnungen geschehen.
Kurzfristig dürfte sich tatsächlich wenig ändern – mittel- und langfristig aber ganz sicher, sagt Xaver Kroner. Der Sprecher des Verbands der Wohnungsunternehmen Bayern, in dem 481 kommunale Gesellschaften und Genossenschaften organisiert sind, sagt: „Es gibt eine schleichende, aber deutliche Veränderung.“
Grund sei die übermäßige Gewinnerwartung der Investoren: Während maximal fünf Prozent realistisch seien, strebten diese zweistellige Renditen an. Deshalb müssten sie die Bestände nach wenigen Jahren verkaufen, entweder einzeln an Mieter oder in größeren Paketen an den nächsten Investor, oder an die Börse bringen.
„Dafür muss die Braut hübsch gemacht werden“, sagt Kroner. Das geschehe über Kostensenkung – weniger Instandhaltung, weniger Verwaltung – über Modernisierung oder höhere Miete. „Mietsteigerungen werden von keinem der Investoren geleugnet“, so Kroner. Selbst wenn diese moderat ausfielen, gehe durch die Umwandlung dauerhaft günstiger Mietraum verloren. Am attraktivsten seien ehemalige Sozialwohnungen, weil die das höchste Steigerungspotenzial hätten, sowie kommunale Gesellschaften.
„Wir hätten unsere Wohnungen schon öfter verkaufen können“, bestätigt Bürgermeister Hep Monatzeder. „Die Begehrlichkeiten sind groß.“ Doch die städtischen Gesellschaften Gewofag und GWG mit ihren rund 50.000 Wohnungen seien tabu: „Die bleiben bei uns, da ist nichts zu befürchten.“ Indirekt aber hat der US-Investor Fortress schon einen Fuß im Markt: Ihm gehören 50 Prozent der Heimag, der Stadt der Rest. Derzeit laufen Verhandlungen über die Zukunft der jeweils anderen Hälfte.
In München gibt es rund 700.000 Wohnungen, davon seien etwa 80 Prozent in Privatbesitz, so Rudolf Stürzer von Haus und Grund. Der Markt sei mittelständisch geprägt, Großeigner wie im Ruhrgebiet mit zehntausenden Wohnungen, deren Verkauf wie eine Bombe einschlagen würde, gibt es nicht an der Isar. So vollziehe sich der Wandel ohne großes Aufsehen, erklärt Kroner. „Es werden seit Jahren kleinere Bestände von 1000 oder 1500 Wohnungen verkauft.“
Ähnliches geschehe schon lange mit den typischen, alten Mietshäusern, so Stürzer: Die Alt-Eigentümer vererben, doch die Kinder haben kein Interesse – die Chance für ausländische Investoren. „Die stellen sich das Vermietungsgeschäft aber viel einfacher vor als es ist“, vermutet Stürzer. „Die Euphorie dürfte bald abebben.“
Quelle: http://www.sueddeutsche.de/immobilien/mietenvermieten/artikel/375/53322/6/