Windbranche befürchtet Pleitewelle: Senvion-Manager und Insolvenzverwalter rechnen mit weiteren Insolvenzen
Archivmeldung vom 18.12.2019
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Freigeschaltet durch André OttAngesichts zunehmender politischer Hürden für neue Windkraft-Projekte fürchtet die deutsche Windbranche eine Pleitewelle. "Alle leiden derzeit heftig: die großen Konzerne, die mittelgroßen Player, die Zulieferer", sagte Yves Rannou, Chef des Hamburger Windradherstellers Senvion, der bereits im April Insolvenz anmelden musste, in einem Interview mit dem Wirtschaftsmagazin 'Capital' (Ausgabe 1/2020, EVT 19. Dezember).
Die Pleite seines Unternehmens sei nur "die Spitze des Eisbergs", sagte Rannou weiter. "Wir waren die ersten in unserer Branche, die es erwischt hat. Aber wir werden nicht die letzten sein. Es wird noch eine ganze Menge passieren." Nach Informationen von 'Capital' rechnen auch führende Insolvenzverwalter damit, bald neue Verfahren bei Unternehmen aus der Windbranche zu übernehmen.
In diesem Jahr sind nach Angaben der Fachagentur Windenergie an Land bis Ende November nur rund 200 Onshore-Anlagen neu ans Netz gegangen. Das ist ein absoluter Negativrekord. Gründe für die Flaute sind unter anderem schleppende Genehmigungsverfahren und sich häufende Klagen von Windkraftgegnern. Die Folgen bekommt die deutsche Windindustrie, die sich in der Vergangenheit stark auf den lange boomenden Heimatmarkt verlassen hatte, heftig zu spüren. Der Anlagenbauer Enercon aus Aurich kündigte jüngst den Abbau von 3.000 Stellen an. Konkurrent Nordex musste im Oktober nach tiefroten Zahlen zu einer Kapitalerhöhung greifen. Bei Senvion gingen nach der Insolvenz ein Teil des Geschäfts an den größeren Hersteller Siemens Gamesa, der Rest wird abgewickelt.
Die Nachrichten aus anderen Unternehmen erinnerten ihn stark an die Entwicklungen bei Senvion, die letztlich zu der Insolvenz führten, sagte Rannou. "Natürlich wünsche ich niemandem, dass er unser Schicksal teilt. Aber wir dürfen nicht blind sein." Zwar sei eine Konsolidierung der Branche überfällig. Diese falle aber weniger schmerzhaft für die Mitarbeiter, Kunden und Geldgeber aus, wenn die Unternehmen selbst das Sagen behalten würden und nicht die Insolvenzgerichte, so Rannou gegenüber 'Capital'.
Scharfe Kritik übte der Senvion-Chef an der Energiepolitik der Bundesregierung. "Ich kann nicht verstehen, wie es die Bundesregierung hinnehmen kann, dass eine Zukunftstechnologie und industrielle Schlüsselkompetenzen zerstört werden." Um die Akzeptanz für die Windenergie zu erhöhen, plant die Bundesregierung eine neue Regel, wonach Windparks künftig nur noch in einem Abstand von mindestens 1.000 Meter von Wohnsiedlungen gebaut werden dürfen. Dieser Mindestabstand würde einen Großteil der theoretisch möglichen Flächen für neue Windprojekte "killen", sagte Rannou. "Sollte es bei der aktuellen Politik bleiben, kann später niemand behaupten, dass ihn die Folgen überrascht hätten. Die ehrliche Alternative wäre es dann, die Klimaziele aufzugeben."
Quelle: Capital, G+J Wirtschaftsmedien (ots)