IG Metall warnt Union vor "Armenhaus" Osteutschland
Archivmeldung vom 27.06.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie ostdeutsche IG Metall befürchtet nach einem möglichen Regierungswechsel, dass sich der Status des Ostens als „Armenhaus Deutschlands verfestigt“. Olivier Höbel, Bezirksleiter der Gewerkschaft von Berlin, Brandenburg und Sachsen, wirft Union und FDP vor, mit ihren Plänen zur Aufweichung des Kündigungsschutzes und zur Erleichterung betrieblicher Bündnisse für Arbeit „die Rechtlosigkeit zum Prinzip zu erklären“.
Obgleich in der ostdeutschen Wirtschaft
deutlich weniger Arbeitnehmer nach Tarif bezahlt werden als im
Westen, „halten wir noch gewisse Standards“, sagte Höbel dem
Tagesspiegel. Nach Angaben der Gewerkschaft werden rund 50 Prozent
der Industriebeschäftigten nach Tarif bezahlt, die Bezahlung eines
weiteren Viertels der Arbeitnehmer orientiere sich immerhin am Tarif.
Doch für den Fall, dass eine schwarz-gelbe Regierungskoalition ihre
Vorhaben umsetzt, erwartet Höbel „noch mehr Druck auf die
Arbeitnehmer“. Nach Beobachtung der IG Metall „haben sich autoritäre
Befehlsstrukturen in vielen Betrieben erhalten bzw. noch verstärkt“.
Die Arbeitszufriedenheit sei „auf einem Tiefpunkt“, Motivation und
Leistungsbereitschaft würden geschwächt, was wiederum „die
Innovationsfähigkeit der Betriebe verringert“, heißt in einer Studie
für ein "Zukunftsprogramm Ost", die dem Tagesspiegel vorliegt. Eine
Befragung von Arbeitnehmern, die gen Westen abgewandert seien, habe
ergeben, „dass sich 55 Prozent an ihrem ostdeutschen Arbeitsplatz
ausgebeutet fühlen, aber nur 17 Prozent am neuen Arbeitsplatz in
einem alten Bundesland“. Die vergleichsweise schlechten
Arbeitsbedingungen hängen laut Rudi Schmidt, Industriesoziologe in
Jena, auch mit der Vertretung der Arbeitnehmer zusammen. "Im Osten
ist die Intensität der Interessenvertrung schwächer“, sagte Schmidt
dem Tagesspiegel. „Die ostdeutschen Arbeitnehmer haben es nicht so
gelernt wie im Westen, ihre Rechte einzufordern."
Quelle: Pressemitteilung Tagesspiegel