Weltbank erwartet gefährliche Lohn-Preis-Spirale
Archivmeldung vom 03.02.2022
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.02.2022 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Sanjo BabićDie Vizechefin der Weltbank, Carmen Reinhart, wirft den Zentralbanken vor, zu zögerlich gegen die steigenden Preise vorzugehen. Dem "Spiegel" sagte Reinhart, Federal Reserve (Fed) und Europäische Zentralbank (EZB) unterschätzten die derzeitige Inflationsgefahr.
Reinhart weiter: "Die Zentralbanken haben es versäumt, rechtzeitig und angemessen auf die Inflation zu reagieren. Auch das ist eine der bitteren Parallelen zu den Siebzigerjahren. Damals haben die Zentralbanken viel zu wenig gegen die Inflation unternommen. Und das Wenige, was sie taten, kam zu spät. Die Geldpolitik ist immer den Kapitalmärkten hinterhergelaufen, statt proaktiv zu reagieren."
Reinhart erwartet, dass sich die aktuell hohe Inflation zu einer Lohn-Preis-Spirale entwickeln wird. "Ich versichere Ihnen: Das wird kommen", sagte die Ökonomin. "Die Menschen haben weniger Geld im Portemonnaie, und sie merken es jetzt, bei den Wohnkosten, den Energiekosten, den Lebensmittelpreisen. Wir treten in eine Phase ein, in der die Inflationserwartungen steigen und die Menschen höhere Löhne fordern werden."
Der Einfluss der Politik auf die Notenbanken sei vor allem in Europa zu stark, sagte Reinhart.
"Die Zentralbanken sind nur auf dem Papier unabhängig, aber nicht de facto. Die Verschuldung ist viel zu hoch, und die Zentralbanken handeln viel zu zögerlich. Die Situation ist extrem gefährlich." Die Weltbank-Vizechefin sieht sogar die Gefahr eines Finanzmarkt-Crashs. "Sehen Sie sich nur die enorm hohe Verschuldung der Unternehmen an, vor allem in den USA. Viele Unternehmen sind miserable Schuldner, es gibt viel zu viele Ramschanleihen. Die Banken haben die Kreditvergabe an viel zu laxe Bedingungen geknüpft." Eine Finanzkrise wie im Jahr 2008 könne sie nicht ausschließen. "Die Situation ist viel fragiler als in den Siebzigerjahren, weil heute so viel von den Aktienmärkten abhängt", sagte Reinhart.
Quelle: dts Nachrichtenagentur