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Lidl ließ Beschäftigte systematisch bespitzeln

Archivmeldung vom 26.03.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 26.03.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Der Lebensmitteldiscounter Lidl ließ voriges Jahr systematisch die Beschäftigten in zahlreichen Filialen überwachen. Das enthüllt das Hamburger Magazin stern in seiner neuen, am Donnerstag erscheinenden Ausgabe.

Dem stern liegen mehrere Hundert Seiten interner Lidl-Protokolle vor, in denen jeweils mit Tag und Uhrzeit notiert ist, wann und wie häufig Mitarbeiter auf die Toilette gehen, wer mit wem möglicherweise ein Liebesverhältnis hat, wer nach Ansicht der Überwacher unfähig ist oder einfach nur "introvertiert und naiv wirkt". Die meisten dieser Einsatzberichte, so der stern, stammen aus Lidl-Filialen in Niedersachsen, dazu kommen einzelne Abhörberichte aus Rheinland-Pfalz, Berlin und Schleswig-Holstein.

Die Überwachung funktionierte immer nach dem gleichen Muster: Montagmorgen installierten von Lidl beauftragte Detektive in der jeweiligen Filiale meist zwischen fünf und zehn Miniaturkameras. Dem Filialleiter wurde erzählt, es gehe darum, Ladendiebe aufzuspüren. Tatsächlich notierten die Detektive aber auch ihre genauen Beobachtungen der Lidl-Mitarbeiter.

Achim Neumann, Handelsexperte der Gewerkschaft Verdi, erklärte gegenüber dem stern, er sei zwar einiges gewohnt von Lidl, von solch einer systematischen Mitarbeiterüberwachung aber habe er noch nie gehört. "Diese Dimension ist mir völlig neu." Der Hamburger Arbeitsrechtler Klaus Müller-Knapp, dem die Protokolle vorab gezeigt wurden, hält sie für "in höchstem Maße skandalös", weil es nicht um Arbeits-, sondern um Verhaltenskontrolle geht. "Das stellt einen klaren Verstoß gegen Artikel zwei Grundgesetz dar, der die freie Entfaltung der Persönlichkeit schützt."

Lidl selbst bestreitet die Existenz der Protokolle gegenüber dem stern nicht, behauptet aber, sie "dienen nicht der Mitarbeiterüberwachung, sondern der Feststellung eventuellen Fehlverhaltens", so Lidl-Sprecherin Petra Trabert. Auch von den detaillierten Protokollen aus der Privatsphäre der Beschäftigten distanziert sich das Unternehmen im Nachhinein und erklärt, die "Hinweise und Beobachtungen entsprechen weder im Umgangston noch in der Diktion unserem Verständnis vom Umgang miteinander."

Der Bundesbeauftragte für den Datenschutz, Peter Schaar, erklärte gegenüber dem stern, dass das Protokollieren eines Toilettenbesuchs und ähnliches einen schweren Verstoß gegen das Bundesdatenschutzgesetz darstelle: "Ich gehe davon aus, dass, wenn solche Vorgänge bekannt werden, die zuständige Datenschutzbehörde tätig wird und Ermittlungen einleitet."

Quelle: stern

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