Daimler schickt Diesel-Smart als Feinstaub-Schleuder an den Start
Archivmeldung vom 16.05.2007
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 16.05.2007 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIn der neuen Dieselversion bleibt der Smart der "Dreckspatz von Mercedes" - BUND Baden-Württemberg und Deutsche Umwelthilfe kündigen Protestaktionen vor Smart-Verkaufscentern und "kreative Aktionen" an - Einstweilige Verfügung wegen irreführender Smart-Werbung wird Ende Mai vor dem Landgericht Stuttgart verhandelt.
Daimler bleibt sich treu: Auch nach der teuren
Scheidung von Sorgenkind Chrysler will der Stuttgarter Konzern die
neue Dieselversion seiner Kleinstwagen-Tochter Smart ab diesem Monat
ohne vollwertigen Rußpartikelfilter ausliefern. Mit 13 Milligramm
Partikelmasse pro gefahrenem Kilometer (mg/km) stößt der Stadtwagen
erheblich mehr der gefährlichen Feinstaubpartikel aus als ein
moderner, gefilterter Stadtbus. Darüber hinaus ist der neue Smart for
two cdi offensichtlich die einzige deutsche Neuvorstellung unter den
Diesel-Pkw, die die Euro 5 Partikelwerte nicht einhält. Darauf haben
die Deutsche Umwelthilfe e. V. (DUH) und der Bund für Umwelt und
Naturschutz (BUND), Landesverband Baden-Württemberg, anlässlich einer
gemeinsamen Pressekonferenz in Berlin hingewiesen und gleichzeitig
Protestaktionen vor Smart-Verkaufscentern und andere "kreative
Aktionen" gegen die "Feinstaub-Schleuder" aus dem Haus Mercedes
angekündigt.
Die baden-württembergische BUND-Vorsitzende Brigitte Dahlbender
erinnerte daran, dass in Deutschland jährlich bis zu 19.000 Menschen
vorzeitig an Dieselruß sterben und damit fast viermal so viele wie im
Straßenverkehr. Die Lebenserwartung aller Deutschen sinkt nach
neuesten Schätzungen wegen der Feinstaubbelastung um neun Monate, ein
bis drei Monate gehen auf das Konto des Diesel-Smogs. Die Abgase
eines herkömmlichen Dieselmotors sind etwa zehn Mal krebserregender
als die eines Benziners. "Es ist umwelt- und gesundheitspolitisch ein
Skandal, dass ausgerechnet das Stadtauto Smart, das vorrangig in den
mit Feinstaub ohnehin hoch belasteten Ballungszentren verkehren wird,
immer noch mit einem unzulänglichen Partikelminderungssystem
ausgestattet wird", kritisierte Dahlbender. Ab September 2009 seien 5
mg/km in der europäischen Abgasnorm Euro 5 verbindlich
vorgeschrieben. Technisch möglich und in allen voll gefilterten
Diesel-Pkw schon heute erreicht, sei sogar erheblich weniger. "Gerade
in Stuttgart, der Heimatstadt des Smart-Mutterkonzerns, wo am
Neckartor der EU-weit gültige Partikelgrenzwert im vergangenen Jahr
175 Mal überschritten wurde, ist aus gesundheitlichen Gründen eine
maximal mögliche Senkung der Partikel dringend geboten. Der Wert von
13 mg/km beim Diesel-Smart ist absolut indiskutabel. Der Gesetzgeber
bestraft Smart-Käufer zu recht mit einer Strafsteuer, weil er die
Euro 5 Partikelwerte nicht erreicht", so Dahlbender. BUND-Mitglieder
würden deshalb noch im Frühsommer damit beginnen, potenzielle
Smart-Kunden mit "kreativen Aktionen" über die besondere
Rußpartikelproblematik des Smart cdi zu unterrichten.
"Der Daimler-Konzern beweist einmal mehr, dass er alles kann - nur
nicht Wort halten und saubere Stadtautos produzieren. Dieter Zetsches
Vorgänger Jürgen Schrempp hat im April 2005 öffentlich erklärt, der
neue Diesel-Smart erhalte einen vollwertigen Dieselpartikelfilter.
Dieter Zetsche blieb es vorbehalten, diese Zusage zu brechen", sagte
DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch. Es helfe wenig, wenn sich
Konzernvertreter heute brüsteten, mit dem Smart cdi "das
Serienfahrzeug mit dem niedrigsten CO2-Emissionswert weltweit" zu
verkaufen, wenn der Zweisitzer gleichzeitig mehr der hoch
gefährlichen Rußpartikel ausstoße, als alle anderen neuen
Dieselmodelle aus deutscher Produktion. Resch: "Der neue Diesel-Smart
als schmutzigster Pkw aus der Mercedes Car Group trägt den Titel
´Dreckspatz von Mercedes´ vollkommen zu recht." Die DUH forderte
Zetsche auf, den Verkauf solange einzustellen, bis der Diesel-Smart
mindestens so sauber sei wie jeder moderne Stadtbus mit geregeltem
Partikelfilter. Andernfalls würden die Umweltorganisationen den
Verbraucherinnen und Verbrauchern vor den Smart-Centern die
schlechten Abgaswerte plastisch nahe bringen.
Die DUH hat unterdessen vor dem Landgericht Stuttgart gegen die
Smart GmbH den Erlass einer Einstweiligen Verfügung wegen
irreführender Werbung beantragt. Der Autobauer hatte in einem
Werbeauftritt im Internet erklärt, der Smart "mit serienmäßigem
Dieselpartikelfilter (offenes System) erzielt extrem niedrige
Emissionswerte". "Diese Aussage führt potenzielle Kunden hinters
Licht", erklärte die Leiterin Recht und Verbraucherschutz der DUH,
Cornelia Ziehm. Angesichts der Tatsache, dass heute offensichtlich
weit über 80 Prozent der in Deutschland neu zugelassenen Diesel-PKW
über einen vollwertigen Partikelfilter verfügten, die alle
Ruß-Emissionen von deutlich unter 5 mg/km aufwiesen, "können 13 mg/km
schlechterdings nicht als extrem niedrig qualifiziert werden. Alles
andere wäre unlauterer Wettbewerb zu Lasten der Gesundheit der Bürger
und der Umwelt", so Ziehm. Diese Sichtweise habe der DUH auch das
zuständige Umweltbundesamt (UBA) offiziell bestätigt. Aus fachlicher
Sicht sei die Beschreibung der Emissionen von 13,1 mg/km als "extrem
niedrig" nicht gerechtfertigt, heißt es in einer so genannten
"verbindlichen Auskunft" des UBA. "Extrem niedrig" bedeute heute
vielmehr ein "Emissionsniveau in der Größenordnung von 1 mg/km oder
darunter", so die UBA-Experten. Der DUH-Antrag wird am 30. Mai vor
dem Landgericht Stuttgart verhandelt.
In einem Mailwechsel im Vorfeld des DUH-Antrags auf Erlass einer
Einstweiligen Verfügung hatte smart außerdem erklärt, der Smart for
two cdi werde wegen des mangelhaften Filters "steuerlich nicht mit
einer Strafe belegt". Die Aussage ist nach Überzeugung der DUH
eindeutig falsch, denn im Zuge der kürzlich in Kraft getretenen
steuerlichen Stützung nachgerüsteter Partikelfilter werden seit dem
1. April im Gegenzug alle neu zugelassenen Diesel-Pkw, die nicht die
künftige Euro 5 Abgasnorm erreichen, mit einer Art "Strafsteuer"
belastet. Das trifft auch den Diesel-Smart, der doch angeblich über
"extrem niedrige" Emissionswerte verfügt. Interessant: Als die
Bundesregierung im Juni 2006 die inzwischen in Kraft getretene
Regelung vorbereitete, versuchte DaimlerChrysler-Chef Zetsche
Bundesumweltminister Sigmar Gabriel mit aller Macht von genau dieser
Regelung abzubringen. Nach einem Telefonat mit dem Minister ließ er
seine Sicht der Dinge in einem Schreiben an das BMU noch einmal
festhalten. DaimlerChrysler, hieß es damals, halte "eine
´Strafzahlung´ in Form eines Malus für Pkw ... für bedenklich."
Ziehm: "Inzwischen ist das eingetreten, was DaimlerChrysler damals
verhindern wollte. Nur will der Konzern das nun nicht mehr zugeben."
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe