Zetsche: "Wir müssen schneller lernen, was funktioniert und was nicht"
Archivmeldung vom 05.11.2015
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVorstandschef Dieter Zetsche (62) will bei Daimler eine neue Form der Führung etablieren, um den digitalen Wandel zu meistern. Das kündigte der Manager im Gespräch mit dem Hamburger Wirtschaftsmagazin BILANZ an, dessen neue Ausgabe am Freitag erscheint.
In Projekten wie autonom fahrenden Lastwagen sieht er "Nester des Umbruches". Dabei soll es aber nicht bleiben. "Wir sind gerade dabei, auf Konzernebene eine neue Führungskultur zu entwickeln", sagte der Manager.
Notwendig ist der Schritt nicht zuletzt, weil der Autobauer neue Herausforderer bekommt. "Wir messen uns nicht mehr nur mit Audi und BMW, sondern mit Unternehmen im Silicon Valley als mögliche neue Wettbewerber", sagte Zetsche. "Der Blick auf ein neues Wettbewerbsumfeld hilft uns, das Tempo der Veränderung zu erhöhen. Die Neigung sinkt, etwas abzulehnen, nur weil wir es nicht erfunden haben."
Daimler müsse mit zwei unterschiedlichen Geschwindigkeiten vorankommen. "Auch künftig wollen wir mit der Entwicklung der S-Klasse die beste Limousine der Welt konzipieren, eine fehlerhafte Beta-Version kann es nicht geben", betonte Zetsche. "Aber in anderen Feldern müssen wir schneller werden. Software zum Beispiel muss schneller in die Fahrzeuge kommen. Wir müssen schneller lernen, was funktioniert und was nicht. Und dann nachbessern. Beides in einem Unternehmen zu vereinbaren ist die Kunst."
Bei früheren Transformationsprozessen hätten viele gedacht: "Das müssen wir jetzt durchstehen." Heute sei es andersrum: Viele Mitarbeiter forderten einen Kulturwandel ein, um Entwicklungen besser vorantreiben zu können.
Seit den Gründern Gottlieb Daimler und Carl Benz hat das Unternehmen aus Zetsches Sicht keine solchen Fortschritte in so kurzer Zeit erlebt. "Es gibt fast nichts bei Daimler, was nicht von dieser Veränderung erfasst wird. Und die meisten bei uns begreifen das als Chance, nicht als Bedrohung", ist der Vorstandschef überzeugt.
Viele Umbauten hätten nicht allen Spaß gemacht, das gehe nicht von heute auf morgen. "Wir haben die Qualität verbessert, die Kosten gesenkt und ein sehr klares, eigenständiges Design eingeführt. Ein Produktzyklus von sieben Jahren ist zudem sehr lang. Jetzt sehen wir den Erfolg und können die Basis für die nächsten Jahre aufbauen. Davon lassen sich viele anstecken."
Den Diesel-Skandal rund um Volkswagen sieht Zetsche als Bestätigung für den Kurs seines Unternehmens, mit lauteren Mitteln führend im Geschäft mit hochwertigen Autos zu werden. "Wir wollen der erfolgreichste Premiumhersteller werden, und zwar mit Autos, die so attraktiv sind, dass niemand an uns vorbeikommt - nicht, indem wir sie verschleudern. Wir wollen substanziell vorankommen, und das auf Basis unserer Unternehmenswerte. Insofern sind die vergangenen Wochen vor dem Hintergrund der VW-Berichterstattung für mich eine Bestätigung unseres Weges" sagte der Daimler-Chef im Gespräch mit BILANZ. "Wir haben unsere Unternehmenskultur verändert und sind heute ein Unternehmen, das vom Prinzip der Integrität geleitet wird."
Quelle: BILANZ (ots)