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Gutachten: Verfassungsgericht müsste Euro-Austritt erzwingen

Archivmeldung vom 03.06.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 03.06.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Manuel Schmidt
Bild: Gerd Altmann/Hintergrund:pixabay / pixelio.de
Bild: Gerd Altmann/Hintergrund:pixabay / pixelio.de

Wenn die Europäische Zentralbank (EZB) das Verbot der Staatsfinanzierung verletzt, muss das Bundesverfassungsgericht nach einem Gutachten seines früheren Richters Udo Di Fabio die Bundesregierung zum Austritt aus der Währungsunion zwingen. Das berichtet die Frankfurter Allgemeine Zeitung (F.A.Z.) in ihrer Montagsausgabe.

Der Juraprofessor, der in Karlsruhe für das Europarecht zuständig war, hat im Auftrag der Stiftung Familienunternehmen die Grenzen einer Währungs- und Wirtschaftsunion untersucht. In der übernächsten Woche (11./12. Juni) will das höchste Gericht über etliche Klagen gegen den Rettungsfonds ESM (Europäischer Stabilitätsmechanismus) und den Fiskalpakt verhandeln und dabei vor allem die Anleihekäufe der EZB für den Euro prüfen. Die EZB hat bislang für mehr als 210 Milliarden Euro Anleihen von Euro-Krisenländern gekauft.

Um das Prinzip der Eigenverantwortung in den Krisenländern zu stärken, spricht sich Di Fabio für Regeln über eine geordnete Staateninsolvenz aus. Denkbar seien auch Vorkehrungen für einen Ausschluss von Staaten aus der Währungsunion und die vorübergehende Einführung einer nationalen Parallelwährung mit Abwertungsspielräumen.

Die von Deutschland und Frankreich angestrebte Wirtschaftsregierung dürfe der EU-Kommission oder dem Ministerrat in Brüssel keine Durchgriffsmöglichkeit auf den deutschen Bundeshalt und keine konkreten Anweisungen über Einnahmen oder Ausgaben erlauben. Eine zentrale Bankenaufsicht kann dem Gutachten zufolge in Europa nur über eine Änderung der europäischen Verträge eingeführt werden, berichtet die F.A.Z. Werde die Aufsicht bei der EZB angesiedelt, fürchtet Di Fabio allerdings einen "massiven Zielkonflikt".

Verfassungsrechtler räumen Klagen gegen EZB-Politik kaum Chancen ein

Führende Europa- und Verfassungsrechtler räumen gegenüber der "Welt am Sonntag" der Verfassungsklage gegen die Anleihenaufkäufe der Europäischen Zentralbank (EZB) kaum eine Chance ein. "Die Klagen gegen die EZB-Entscheidungen sind ein reiner Verzweiflungsakt der Euro-Gegner", sagte Christoph Schalast, Professor für Europarecht an der Privathochschule Frankfurt School of Finance & Management, der "Welt am Sonntag". Das Bundesverfassungsgericht prüft die Euro-Rettungspolitik der EZB am 11. und 12. Juni. Zwar halten einige Experten die Politik der EZB für rechtlich problematisch. "Ich halte die Anleihenaufkäufe der EZB für eindeutig kompetenzwidrig", sagt der Europarechtler und frühere Verteidigungsminister Rupert Scholz der "Welt am Sonntag". Aber die Juristen glauben nicht, dass das Bundesverfassungsgericht der Klage stattgeben wird. "Ich denke, dass sich die Verfassungsrichter scheuen werden, der EZB so gravierende Kompetenzverstöße vorzuwerfen, dass sie nicht nur gegen Europarecht verstoßen, sondern auch gegen deutsches Verfassungsrecht", sagt Helmut Siekmann, Professor für Währungs- und Notenbankrecht an der Uni Frankfurt. Zumal ein solches Urteil dramatische Auswirkungen hätte. "Mit einer solchen Entscheidung wäre nicht nur die gemeinsame Geldpolitik am Ende, sondern auch die EU insgesamt", sagt der Speyerer Verfassungsrechtler Joachim Wieland. Dazu kommt eine weitere Hürde. In früheren Entscheidungen hat sich das Verfassungsgericht quasi dazu verpflichtet, keine derart gravierenden Kompetenzverletzungen zu rügen, ohne den Europäischen Gerichtshof (EuGH) einzubinden. "In Karlsruhe hat man sicherlich Hemmungen, den Fall dem EuGH vorzulegen, zumal das Risiko besteht, dass man die Sache dort ganz anders beurteilt und keinerlei Verstoß gegen EU-Recht sieht", sagt Oliver Sauer, Staatsrechtler beim Centrum für Europäische Politik (CEP) in Freiburg. "Die bisherigen Erfahrungen sprechen eher dafür, dass sie den OMT-Beschluss für noch eben zulässig erklären werden, aber die en! gen Gren zen aufzeigen, bis zu denen die EZB gehen darf", sagt der Frankfurter Professor Siekmann. Auch sein Speyerer Kollege Wieland erwartet, das das Bundesverfassungsgericht das Programm zwar billigt, aber auch sagt, was die EZB nicht dürfe - nämlich "dass ein Anleihenkaufprogramm eben nur zulässig ist, wenn es der Stabilisierung der Finanzmärkte dient und nicht der Staatsfinanzierung." Damit, so hoffen jene, die die Macht der Notenbanker mit Argwohn sehen, hätte das Verfahren in Karlsruhe doch noch eine Wirkung. "Im Ergebnis werden dadurch die Spielräume für künftige Maßnahmen der EZB deutlich eingeschränkt werden", glaubt Siekmann. So könnte es der EZB schwerer fallen, die eng gefassten Bedingungen des OMT-Programms wieder über den Haufen zu werfen, wenn es die Not eines Krisenlandes geboten erscheinen lässt. Aber auch solche Bedingungen wären für die EZB nicht bindend. "In diesem Fall zeigt sich einmal mehr Macht und Ohnmacht des Bundesverfassungsgerichts", sagt Staatsrechtler Wieland. Es könne eben nicht für sich in Anspruch nehmen, abschließend über Europarecht zu urteilen.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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