Ökonomen kritisieren Maßnahmen der EZB
Archivmeldung vom 13.03.2020
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Freigeschaltet durch André OttDie Reaktion der Europäischen Zentralbank (EZB) auf die wirtschaftlichen Folgen des Coronavirus stößt bei führenden Ökonomen auf Kritik.
"Gegenwärtig besteht die Aufgabe der Notenbanken darin, Abwärtsspiralen zu unterbrechen. Das ist der EZB nicht gelungen, in dem ihr Maßnahmenpaket in den gewohnten Instrumentenbahnen geblieben ist und damit der besonderen Lage in den Augen der Marktteilnehmer nicht gerecht geworden ist", sagte Ulrich Kater, Chefvolkswirt der DekaBank Deutsche Girozentrale, den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.
Für Kater steht fest: "Das war nicht das letzte Wort der Geldpolitik zu Corona." Denn nun würden die Erwartungen steigen, dass "die Notenbanken in einer konzertierten Aktion die selbst erfüllende Negativerwartungen durchbrechen werden." Auch Michael Hüther, Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), kritisierte gegenüber den Funke-Zeitungen die EZB. "Der Fehler war, dass die EZB in den vergangenen guten Jahren ihren Kurs nicht korrigiert hat. Dazu fehlte ihr der Mut. Das rächt sich jetzt. Man muss das Pulver trocken halten, wenn es die Zeit gebietet. Aber die EZB hat jetzt kein Pulver mehr, um es zu verschießen." Es sei der EZB nur bedingt gelungen, ein Signal zu senden.
"Allerdings gab es auch die selbstgesetzte Erwartung, dass die EZB mit ihrer Entscheidung jetzt wahre Wunder vollbringt. Das kann sie nicht, sie hat im Rahmen ihrer Möglichkeiten gehandelt", räumte Hüther ein. Scharfe Kritik übte der IW-Direktor an nationalen Alleingängen in der Krise. "Es gibt überhaupt keine internationale Koordinierung. Man kann bei dem Virus zwar keinen Masterplan wie in der Finanzkrise 2008 ausarbeiten. Aber nationale Alleingänge wie jetzt in den USA sind unverantwortlich", sagte Hüther. Auch die EU zeige sich "wenig koordiniert." Zu dem Panikverkäufen an den Börsen habe aber vor allem "die unsinnige Äußerung von US-Präsident Donald Trump zum Einreiseverbot für Europäer" beigetragen, sagte Hüther. Für Sebastian Dullien, wissenschaftlicher Direktor am Institut für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), ist die wirtschaftliche Situation in der Euro-Zone "so ernst wie seit der globalen Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/9 nicht mehr."
Dullien sagte den Funke-Zeitungen: "Es besteht die Gefahr, dass die Umsatzausfälle und Produktionsunterbrechungen durch die Quarantänemaßnahmen zu massiven Entlassungen und Einkommensverlusten führen, wenn nicht entschieden gegengesteuert wird." Dullien hält die Lockerung der Geldpolitik für richtig. "In einer solchen Situation wäre es fahrlässig gewesen, die Geldpolitik unverändert zu lassen", sagte Dullien. Eine andere Auffassung vertritt Stefan Kooths, Leiter des Prognosezentrums am Institut für Weltwirtschaft (IfW) an der Universität Kiel. Kooths sagte den Funke-Zeitungen: "Die zusätzliche Liquidität ist aus Sicht des Euroraums als Ganzem buchstäblich überflüssig." Indem die EZB die Sicherheitsanforderungen für ihre Geldgeschäfte lockert, nehme sie Risiko aus dem Markt das sei eigentlich Aufgabe der Staaten, so Kooths. "Die EZB schaltet damit wieder aktiv in den Krisenmodus, weil sie das Finanzsystem offenbar immer noch nicht für robust genug und zumindest einzelne Staaten nicht für ausreichend handlungsfähig hält." Die Europäische Zentralbank hatte am Donnerstag verkündet, 120 Milliarden Euro in den Kauf von Anleihen zu investieren und die Kapitalanforderungen für Banken zu senken. Die Zinsen ließ die EZB unverändert.
Quelle: dts Nachrichtenagentur