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Schwere Vorwürfe gegen US-Armee und deren deutschen Vertragspartner wegen Beschäftigung ziviler Arbeitnehmer

Archivmeldung vom 02.04.2013

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.04.2013 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt
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Die zeitweilige Beschäftigung ziviler Arbeitnehmer aus Deutschland bei Übungseinsätzen der US-Armee im bayerischen Hohenfels bezeichnet der anerkannte Frankfurter Arbeitsrechtler, Prof. Peter Wedde, im Interview mit "Report Mainz" als "Ausbeutung pur". Zu dieser Einschätzung gelangt der Direktor der Europäischen Akademie der Arbeit aufgrund der ihm von "Report Mainz" vorgelegten Arbeitsverträge, sonstigen Unterlagen und etlichen Schilderungen von Betroffenen.

Bevor US-Streitkräfte Deutschland in Richtung Einsatz- oder Kriegsgebiet verlassen, proben sie den Ernstfall auf dem 16.000 Hektar großen Truppenübungsplatz in Hohenfels. Dabei werden auch zivile deutsche Arbeitnehmer beschäftigt. Sie spielen zum Beispiel die widerspenstige irakische oder afghanische Zivilbevölkerung, um die US-Soldaten zu trainieren. Überwiegend drei, manchmal aber auch sechs Wochen dauert der Einsatz der so genannten COB´s - Civilians on the Battlefield, also der Zivilisten auf dem Schlachtfeld. Während der gesamten Zeit sind die Teilnehmer auf dem Truppenübungsgelände kaserniert, dürfen dieses nicht verlassen. Sie unterschreiben kurz vor Beginn ihres Einsatzes, dass für sie täglich "eine 24-Stunden-Bereitschaft" besteht. Folglich sind die COB´s im Dauereinsatz rund um die Uhr. Mehrere zehntausend hiesige Arbeitskräfte, so die Recherchen von "Report Mainz", waren in den vergangenen zehn Jahren bei solchen Übungen dabei.

Einige COB´s beschreiben im Interview mit "Report Mainz" ihre Einsätze. Diese seien "eine Mischung aus Knast und Bundeswehr" und "echt menschenverachtend" gewesen. "Das Schlimmste waren einfach die Arbeits- und Lebensbedingungen und die Hygiene", erzählte zum Beispiel eine Teilnehmerin. Ein anderer Teilnehmer bezeichnete den Einsatz als "Sklaventätigkeit" und kritisierte grundsätzlich "eine unmenschliche Behandlung". Außerdem: Manchmal wären "80 oder mehr Leute in einer Baracke untergebracht (gewesen), die sicherlich nur für die Hälfte der Leute ausgelegt war", sagte ein ehemaliger COB gegenüber "Report Mainz". Ein anderer berichtete unabhängig davon: Privatsphäre habe es während des kompletten Einsatzes keine gegeben. Es hätten "Zustände wie in der Massentierhaltung" geherrscht. Außerdem, so berichtete eine Arbeitnehmerin, habe man "teilweise mit Männern gemeinsam den Waschraum benutzen" müssen. Dass es solche Beschäftigungsverhältnisse überhaupt noch gibt, bezeichnet Prof. Wedde als überraschend und auch erschreckend: "Ein Arbeitsverhältnis, das Beschäftigten jegliche Rechte abschneidet im Bereich der Privatsphäre, das sie ständig verfügbar hält, die kennt man eigentlich nur aus längst vergangenen Zeiten wie Leibeigenschaft oder Sklaverei."

Während ihres Einsatzes ist es den COB´s verboten, Handy, Computer und Internet sowie Fotoapparate zu benutzen. Alkohol und Sex sind ebenfalls tabu. Aus den Arbeitsverträgen geht hervor, dass die Teilnehmer der "Kontrolle aller Postsendungen", also auch der gesamten Privatpost, zustimmen müssen. Außerdem besteht eine umfassende "Verschwiegenheitspflicht". Für "entstandene Schäden und/oder Folgeschäden" besteht kein "Anspruch auf Entschädigung und/oder therapeutischen Beistand", heißt es in den Arbeitsverträgen weiter. Teilnehmer an diesen Übungen seien vor allem Hartz-IV-Empfänger, die "das Geld ganz dringend brauchen", berichtet ein ehemaliger COB.

Für ihren 24 Stunden-Dauereinsatz erhalten die Teilnehmer, nach "Report Mainz" vorliegenden Unterlagen, durchschnittlich einen Lohn von 90 Euro am Tag. Auf die Stunde umgerechnet sind das weniger als vier Euro brutto. Diese Entlohnung stuft Arbeitsrechtler Prof. Wedde als sittenwidrig ein: Eine Entlohnung von "neunzig Euro für einen ganzen Tag, für 24 Stunden Bereitschaft, fällt schon in den Bereich, den man als sittenwidrig kennzeichnen kann, nach den Maßstäben, die sich aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch ableiten lassen."

Die US-Regierung ist der Auftraggeber für das Trainingsprogramm der US-Streitkräfte in Deutschland. Die hiesigen Streitkräfte wiederum vergeben den Auftrag zur Rekrutierung und Beschäftigung der COB´s an eine deutsche GmbH - die Supply & Service Team GmbH (SST GmbH) im bayerischen Krailling. Sie fungiert als Personaldienstleister der US-Armee. Fazit des Arbeitsrechtlers Prof. Wedde über die Beschäftigung der COB´s: "Man kann so ein Modell, wo man Leute drei, vier Wochen kaserniert rund um die Uhr, schlecht bezahlt und unter schlechten Bedingungen arbeiten und leben lässt, als Ausbeutung pur bezeichnen."

Die US-Armee in Deutschland erklärt auf Anfrage von "Report Mainz", dass ihr von Verstößen gegen deutsches Arbeitsrecht nichts bekannt sei. Außerdem sei ihr deutscher Vertragspartner, also die SST GmbH, für das Einhalten hiesiger Gesetze verantwortlich. Im "Report Mainz"-Interview kritisiert der Arbeitsrechtler Prof. Wedde die US-Administration deutlich: "Dass die US-Regierung solche Aufträge erteilt und um die Arbeitsbedingungen sicher auch wissen muss in einem solch sensiblen Hochsicherheitsbereich, macht es noch schlimmer, den Rechtsverstoß, der dort zu erkennen ist. Aber auch die moralische Bewertung muss man hier sehr deutlich treffen. Und da muss man sagen: Ein Auftraggeber, der so etwas zulässt, macht sich mitschuldig an solchen Zuständen." Trotz mehrwöchiger Bemühungen von "Report Mainz" war auch kein Verantwortlicher der SST GmbH zu einer Stellungnahme bereit. Nachdem die Firma erst ein Interview abgelehnt hatte, kam auf mehrmalige Nachfrage von "Report Mainz" nach drei Wochen eine Einladung, an einer der kommenden Übungen teilzunehmen.

Quelle: SWR - Das Erste (ots)

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