Bei 18 Patienten gibt's einen Laptop
Archivmeldung vom 25.07.2008
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Freigeschaltet durch Oliver RandakFlachbildschirme als Belohnung für die Verschreibung von Medikamenten: Gegen diese Praxis hat die Staatsanwaltschaft Aachen ein Ermittlungsverfahren eingeleitet. Im Fadenkreuz: der Pharmakonzern Trommsdorf.
Das Angebot war verlockend: Für fünf Patienten bekamen die Ärzte einen Flachbildschirm, für 12 Patienten eine Espressomaschine, für 18 einen Laptop. So großzügig zeigte sich die Pharmafirma Trommsdorff, wenn Ärzte bereit waren, ihren Blutdrucksenker Emestar ihren Patienten zu verordnen. Nun hat die Staatsanwaltschaft Aachen nach Informationen von stern.de die Firma Trommsdorff durchsucht und ein Ermittlungsverfahren eingeleitet.
Die nördlich von Aachen gelegene Pharmafirma beschäftigt rund 240 Mitarbeiter und macht die Hälfte ihres Geschäfts mit der Behandlung von Herzkrankheiten. Nach Angaben der Staatsanwaltschaft handelt es sich um ein "umfangreiches Verfahren" bei dem Anfang dieses Jahres ein Team bei der Polizei gebildet worden sei, das sich ausschließlich mit dem Fall Trommsdorff beschäftige. Bisher richten sich die Ermittlungen lediglich gegen Verantwortliche der Pharmafirma, die im Verdacht stehen, Anstiftung zu Untreue gegenüber den Krankenkassen begangen zu haben.
Ins
Visier der Ermittler könnten aber auch bundesweit rund 1000 Ärzte
gelangen, wenn sie Geld und Elektroartikel in Empfang genommen haben.
Bei den Zuwendungen an die Ärzte handle es sich "größtenteils um
Sachleistungen" wie die Staatsanwaltschaft mitteilt, die Leistungen
betrügen pro Arzt bis zu 1500 Euro.
Zweifelhafte Studien, um den Absatz anzukurbeln
Trommsdorff hatte den Ärzten die Elektroartikel als Gegenleistung für die Teilnahme an Anwendungsbeobachtungen (AWB) für die Blutdrucksenker Emestar mono und Emestar plus in den Jahren 2004 bis 2007 angeboten. Bei AWBs handelt es sich oftmals um zweifelhafte Studien, die vor allem dazu da sind, den Absatz bestimmter Medikamente anzukurbeln. Die Ärzte füllen dabei pro Patient, dem sie das Präparat verordnen, ein Formular aus, in dem beschrieben werden soll, wie der Patient das Präparat verträgt. Für die ausgefüllten Formulare interessieren sich die meisten Unternehmen aber gar nicht, wie eine Studie der kassenärztlichen Bundesvereinigung ergeben hat.
Im
Fall Trommsdorff mussten die Ärzte bei der "Anwendungsbeobachtung
Emestar" sogar auf dem Deckblatt nur noch ankreuzen, was sie als
Gegenleistung erhalten wollten:
- Für 5 Patienten: Flachbildschirm 17 Zoll oder iPod mini
- Für 7 Patienten: Flachbildschirm 19 Zoll oder DVD Recorder oder
All-in-one-Drucker
- Für 12 Patienten: Espressomaschine Jura Impressa
- Für 14 Patienten: Navigationssystem Tom Tom Go 300 oder DVD Recorder
mit Festplatte
- Für 18 Patienten: Laptop oder Beamer oder PC + Drucker oder PC +
Flachbildschirm.
Emestar nur bei ACE-Unverträglichkeit sinnvoll
Dabei ist der Blutdrucksenker Emestar nach Einschätzung von Pharmaexperten nur bei Patienten sinnvoll, die die Wirkstoffgruppe der ACE-Hemmer nicht vertragen, weil sie davon Husten bekommen. Hinsichtlich der eigentlichen "Verhinderung koronarer Ereignisse" sei bei der Gruppe, zu der Emestar gehöre, aber "sogar eine Unterlegenheit wahrscheinlich" (Arzneiverordnungsreport 2007, Seite 207). Allerdings ist Emestar rund zehnmal so teuer wie etwa ein günstiger ACE-Hemmer - umso nötiger war es womöglich, die Ärzte auf ganz besondere Weise von dem Präparat zu überzeugen.
Firmeninterne
Dokumente legen nahe, dass Trommsdorff außerdem die Vergütung der Ärzte
in Form einer "Fondsorientierten Privatvorsorge für Ärzte" zumindest
geplant hat. Die Frage, wie vielen Ärzten eine solche "Privatvorsorge"
angeboten wurde beziehungsweise mit wie vielen Ärzten ein
diesbezüglicher "Beratervertrag" geschlossen wurde, wollte
Trommsdorff-Geschäftsführerin Bettina Freischütz gegenüber stern.de
nicht beantworten. Auch zum Ermittlungsverfahren und den Details der
Ärztehonorierung mochte Trommsdroff keine Stellung nehmen.