Konjunkturforscher: Mehrwertsteuererhöhung kann mehr als 300.000 Arbeitsplätze kosten
Archivmeldung vom 03.11.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine mögliche Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent zur Sanierung des Staatshaushaltes kann zum Verlust von rund 314.000 Arbeitsplätzen führen. Das berichtet das ARD-Magazin MONITOR. Der Wirtschaftswissenschaftler Prof. Dr. Bernd Meyer hat die Auswirkungen der Erhöhung der Mehrwertsteuer zur Haushaltskonsolidierung auf Konjunktur und Beschäftigung in Deutschland bis Ende 2008 berechnet.
Die Erhöhung der Mehrwertsteuer schwächt danach
die Binnennachfrage und führt zu einer Belastung von Konjunktur und
Wirtschaft. Das Bruttoinlandsprodukt werde damit bis zu 0,3 Prozent
im ersten Jahr gesenkt. In den beiden Folgejahren seien es jeweils
weitere 0,7 bis 0,8 Prozentpunkte. Die Schwächung der Inlands-
nachfrage führe in den drei Jahren zu einem Beschäftigungs-
verlust von rund 314.000 Arbeitsplätzen.
Die Simulationsrechnungen zur Mehrwertsteuererhöhung sind mit dem
Modell INFORGE durchgeführt worden, welches die gesamtwirtschaftliche
und sektorale Entwicklung der deutschen Volkswirtschaft auf Basis
aktueller Daten beschreibt. Das anerkannte Modell wird von und für
Politiksimulationen eingesetzt.
Gegenüber MONITOR erklärt der Konjunkturforscher Prof. Dr. Gustav
Horn vom gewerkschaftsnahen Institut für Makroökonomie und
Konjunkturforschung: „Wenn die Bundesregierung den Staatshaushalt
sanieren will, so sollte dies ohne eine gravierende Belastung der
Nachfrage geschehen.“
In der jetzigen Form führe die
Mehrwertsteuererhöhung zu einem schwächeren wirtschaftlichen
Wachstum, sagt Gustav Horn.
„Eine Mehrwertsteuererhöhung zur Sanierung des Staatshaushaltes
ist schädlich“, sagte auch der Experte Ralph Brügelmann vom
arbeitgebernahen Institut der Deutschen Wirtschaft: „Um kurzfristig
einen positiven Impuls für Wachstum und Beschäftigung zu geben, ist
eine Erhöhung der Mehrwertsteuer aber durchaus sinnvoll, wenn im
Gegenzug Sozialbeiträge gesenkt werden.“ Dabei wird unterstellt, dass
kein Cent für die Sanierung der öffentlichen Kassen ausgegeben wird.
Nach Berechnung des Instituts für Arbeitsmarkt und Berufsforschung,
könnte eine Absenkung der Sozialversicherungsbeiträge um 2 Punkte,
welche durch eine Erhöhung der Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent
gegenfinanziert wird, langfristig bis zu 140.000 zusätzliche Jobs
schaffen.
Quelle: Pressemitteilung WDR