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Mindestlohn: Wirtschaftsforscher ziehen ernüchternde Bilanz

Archivmeldung vom 19.12.2016

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 19.12.2016 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch André Ott
Bild: Siegfried Fries  / pixelio.de
Bild: Siegfried Fries / pixelio.de

Knapp zwei Jahre nach der Einführung des gesetzlichen Mindestlohns ziehen Wirtschaftsforscher eine ernüchternde Bilanz. Die teilweise befürchteten Jobverluste seien bisher zwar ausgeblieben: Kritiker und Vertreter der Wirtschaft führen das aber auf die ausgesprochen starke Konjunktur in Deutschland zurück, schreibt die "Welt am Sonntag". Tatsächlich sei der Mindestlohn aber eine Belastung für den Arbeitsmarkt, vor allem für Geringqualifizierte.

"Negative Beschäftigungseffekte sind vor allem durch ausgefallene Einstellungen zu beobachten. Ohne den Mindestlohn hätten 60.000 zusätzliche Jobs entstehen können", sagte Christoph Schröder, Experte für Tarifpolitik und Arbeitsbeziehungen beim Institut der deutschen Wirtschaft Köln (IW Köln), der Zeitung. Sein Kollege Hagen Lesch kritisierte vor allem die anstehende Erhöhung zum 1. Januar 2017 auf 8,84 Euro je Stunde.

"Die jetzt vorgenommene Anhebung halte ich für verfrüht, weil wir einen gewaltigen Integrationsbedarf von weniger gut qualifizierten Flüchtlingen haben." Damit setzt sich der Streit darüber fort, ob das Gesetz mehr Schaden als Nutzen bringt. Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) und die Gewerkschaften preisen die zum Januar 2015 eingeführte Lohnuntergrenze von 8,50 Euro je Arbeitsstunde als großen Erfolg und Beitrag zur sozialen Gerechtigkeit.

Der Mindestlohn, so das Arbeitsministerium, habe nicht nur keine Jobs vernichtet, er habe auch viele Jobs besser gemacht: "Aus vielen geringfügigen Beschäftigungsverhältnissen sind reguläre sozialversicherungspflichtige Jobs geworden, es gibt mehr Beschäftigte und mehr Lohn", lobt das Ministerium von Andrea Nahles (SPD) die Untergrenze. Von der Einführung des Mindestlohns hätten vier Millionen Beschäftigte profitiert.

Die Einführung der Lohnuntergrenze habe für diese Beschäftigten eine Stundenlohnsteigerung von durchschnittlich 18 Prozent gebracht. Auch Stefan Körzell, Vorstandsmitglied des DGB, hebt hervor, der gesetzliche Mindestlohn habe vielen Beschäftigten ! ein kräf tiges Lohnplus gebracht, vor allem im Osten, aber auch generell in Dienstleistungsbranchen und bei Frauen.

"Nach Mindestlohn-Start im Januar 2015 sind innerhalb des ersten Jahres gerade im Osten Deutschlands die Löhne der untersten Einkommensgruppen in typischen Branchen gestiegen oft um zweistellige Prozentsätze." Ökonomen bezweifeln allerdings, dass sich die Stundenlohnsteigerung in einer Einkommenssteigerung in gleicher Höhe niedergeschlagen hat.

Arbeitsmarktexperte Ronnie Schöb, Ökonom an der Freien Universität Berlin, sieht Hinweise darauf, dass bei den Beschäftigten, die jetzt Mindestlohn verdienen, die Zahl der Arbeitsstunden reduziert wurde. "Der Bericht der Mindestlohnkommission hat gezeigt, dass die Arbeitszeiten der vom Mindestlohn betroffenen Vollzeitbeschäftigten deutlich sinken."

Auch IW-Ökonom Schröder sagt, es gebe klare Hinweise darauf, dass die Zahl der Arbeitsstunden bei Mindestlohnempfängern zurückgegangen ist: "Der Rückgang der Arbeitszeit beträgt nach einer Untersuchung in Ostdeutschland sechs Prozent und in Westdeutschland drei Prozent." Besonders stark seien die Effekte an der 450-Euro-Grenze.

Quelle: dts Nachrichtenagentur

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