Neuordnung bei Weltbank erntet Kritik Vernachlässigung der Ökologie befürchtet
Archivmeldung vom 10.07.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittWeltbank-Chef Paul Wolfowitz hat die Abteilung für Umwelt und soziale Entwicklung, die bisher mit einer Vize-Präsidentschaft in der Entwicklungsbank vertreten war, aufgelöst. Die Abteilung soll in der Infrastruktur-Abteilung aufgehen.
Chefin der neuen Abteilung bleibt die bisherige
Infrastruktur-Chefin Kathy Sierra. Das Personal der bisherigen
Abteilung für Umwelt und soziale Entwicklung wird auf die
Länderreferate verteilt und wird damit nicht Teil der
Infrastrukturabteilung. Das geht aus einem Anschreiben Wolfowitz' an
die Mitarbeiter der Weltbank hervor, das dem "Tagesspiegel" vorliegt.
Wolfowitz nimmt bereits in seinem Anschreiben Kritik an dem Plan auf.
"Ich weiß, es gibt Befürchtungen, dass Umwelt-Aspekte in dieser neuen
Struktur Infrastruktur-Interessen untergeordnet werden könnten. Aber
ich bin überzeugt, mit dieser Veränderung die Rolle des Umwelt-Teams
der Bank zu stärken", schreibt er.
Daran haben vor allem Nicht-Regierungsorganisation allerdings
erhebliche Zweifel. Die Entwicklungs- und Umweltorganisation
"Urgewald" befürchtet, dass künftig die Mitarbeiter der
Infrastrukturabteilung ihre eigenen Umweltgutachten schreiben werden.
Die Folge wäre eine Renaissance beispielsweise großer Dammbauten, wie
dem umstrittenen Drei-Schluchten-Staudamm in China. Für den
Drei-Schluchten-Staudamm wurden Millionen Menschen zwangsumgesiedelt,
und mit dem Bau des Damms hat beispielsweise der Jangze-Flussdelfin,
der nur dort vorkommt, keine Überlebenschancen mehr. In Fällen wie
diesem erwartet "Urgewald" künftig keine Bedenken der Weltbank mehr,
in die Finanzierung einzusteigen.
Auch Daniela Setton von der Entwicklungsorganisation "Weed" sieht
eine "kontinuierliche Aufweichung von sozialen und Umweltstandards"
in der Arbeit der Weltbank. Es gebe kaum noch Konsultationen mit den
Bürgern vor Ort, bevor die Weltbank in die Finanzierung großer
Infrastrukturprojekte einsteige, argumentiert die Organisation. Sie
sieht in der Umstrukturierung der Bank ein Zeichen dafür, dass die
Weltbank der "starken Nachfrage nach Infrastrukturprojekten in den
Schwellenländern" ohne große Einschränkungen nachkommen will. "Wir
sehen das Ganze sehr kritisch", sagte Setton dem "Tagesspiegel".
Der neue Chef des Umweltprogramms der Vereinten Nationen (Unep),
Achim Steiner, will die Umstrukturierung nicht kommentieren. Dabei
könnte er als ehemaliger Vorsitzender der Weltstaudammkommission
vermutlich einiges an Erfahrungen an die Weltbank weitergeben. Das
deutsche Entwicklungsministerium dagegen wiegelt ab. "Wir sehen
derzeit keine Anzeichen dafür, dass Umwelt- und Sozialaspekte in der
Arbeit der Weltbank künftig zurückgefahren werden", sagte Markus
Weidling, Sprecher von Entwicklungsministerin Heidemarie
Wieczorek-Zeul (SPD), dem Tagesspiegel. "Sollte es Anzeichen dafür
geben, werden wir uns nach Kräften dafür einsetzen, dieses zu
verhindern", sagte er weiter. Nach Einschätzung seines Hauses sei die
Verschmelzung der Umweltabteilung mit der Infrastrukturabteilung eine
Chance, dass "die Themen Umwelt und Entwicklung in den Kernbereich
der Weltbank aufrücken".
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel