Deutsche Steinkohle: Subventionsabbau ist kein Selbstzweck
Archivmeldung vom 31.08.2005
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Entwicklung auf den globalen Energie- und Rohstoffmärkten liefert beinahe täglich Argumente für den Erhalt einer heimischen Steinkohlebasis.
In der politischen Diskussion geht es indes fast durchweg nur um den mehr oder weniger raschen Abbau der Steinkohlesubventionen. Ganz so, als sei hier noch kaum etwas
geschehen und als sei Subventionsabbau ein Selbstzweck. Die deutsche Steinkohle handelt aber im politischen Auftrag mit stichhaltiger Begründung und im Vertrauen auf die Zusagen verantwortlicher Politiker. Der Bergbau und seine Beschäftigten lassen sich daher nicht mit flotten Sprüchen abspeisen und zum Auslaufmodell erklären.
Subventionen sind prinzipiell ein legitimes Instrument der Wirtschaftspolitik, das keineswegs nur im Steinkohlenbergbau und in Nordrhein-Westfalen eingesetzt wird. Dass der Steinkohlenbergbau hierzulande der einzige Bereich ist, in dem in letzter Zeit einvernehmlich ein nachhaltiger Abbau der Subventionen stattgefunden hat, wird zwar von wirtschaftswissenschaftlicher Seite herausgestellt, ist aber noch nicht überall angekommen. In jedem Fall kann eine verengte, von den Begründungen und Zusammenhängen losgelöste Betrachtung einzelner öffentlicher Ausgaben leicht in die Irre führen.
Eine neue Untersuchung des Kieler Instituts für Weltwirtschaft (IfW ) vom August 2005 zu den Finanzhilfen der Bundesländer und ihrer Gemeinden in den Jahren 2000-2004 schafft Transparenz auch in Bezug auf Ländervergleiche der Subventionen. Diese Untersuchung kommt u.a. zu dem Ergebnis, dass bei einem umfassenden Subventionsbegriff allein die Finanzhilfen der Länder jährlich mit 59-64 Mrd. Euro zu beziffern sind, was beinahe einem Drittel ihrer Steuereinnahmen entspricht. Bereits diese Zahlen zeigen, wie vordergründig und einseitig die Subventionsdebatte zuweilen geführt wird. Manche Institutionen und Branchen, die selbst ohne Staatsgelder und Steuerabschreibungen gar nicht existieren würden, lenken gern mit
Hinweis auf die Kohle von ihren eigenen Finanzierungsquellen ab. Einen Subventionsabbau hat es insgesamt, so das IfW, zuletzt kaum gegeben. Besonders zäh verlaufe er in den alten Flächenländern wie z.B. Bayern, während er in den neuen Ländern - allerdings von einem
viel höheren Subventionsanteil aus - zügiger vorangekommen ist.
Im Hinblick auf die Steinkohlehilfen interessant ist dabei die Position des Steinkohlelandes Nordrhein-Westfalen, das als größtes deutsches Bundesland auch die meisten Finanzhilfen gewährt. In 2004 waren es rund 11,3 Mrd. Euro (davon 5,4 Mrd. Euro auf der Gemeindeebene). Der NRW-Anteil an den Steinkohlehilfen schlug dabei mit 0,5 Mrd. Euro zu Buche. Ist NRW deshalb ein Hochsubventionsland, wie ein landläufiges Vorurteil besagt? Weit gefehlt, wie die neue Kieler Untersuchung zeigt, die auch die Ländersubventionen pro Kopf (bis 2003) ermittelt hat. Je Einwohner gerechnet liegt NRW (einschließlich seiner Steinkohlehilfen) nur auf Rang 13 und somit im untersten Viertel des Ländervergleichs der Finanzhilfen. Andere Bundesländer subventionieren andere Sektoren wie insbesondere Verkehr, Landwirtschaft, Tourismus, Wasserversorgung oder Müllentsorgung in z.T. weitaus stärkerem Maße. Übrigens werden auch
andere Bergbauzweige in einigen Bundesländern staatlich unterstützt. Pro Kopf liegen Berlin und die neuen Länder sowie Bremen deutlich vor den alten Ländern. Unter diesen sind Baden-Württemberg, Hessen und Bayern die größten Subventionsgeber je Einwohner, deutlich vor NRW, am zurückhaltendsten war Schleswig-Holstein.
Nach einer früheren Studie des Kieler IfW zum gesamtwirtschaftlichen Subventionsvolumen, die neben den Finanzhilfen und Steuervergünstigungen des Bundes auch Subventionen aus der
EU-Kasse (etwa für Agrarbeihilfen und Regionalförderung) sowie die öffentliche Finanzierung staatlicher oder halbstaatlicher einschließlich kommunaler Dienstleistungsbetriebe einbezieht, flossen in Deutschland in der jüngeren Vergangenheit bis zu 150 Mrd. Euro pro Jahr. Daran gemessen hatte die deutsche Steinkohle einen Anteil von weniger als 2%!
Dieser nationale Subventionsvergleich berücksichtigt übrigens nicht die im Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG) staatlich festgesetzten Stromeinspeisevergütungen für regenerative Energien, die - soweit sie über die Marktpreise für Strom hinausgehen, was sie
allesamt tun - ebenfalls Subventionscharakter haben und dabei die Steinkohlehilfen im Volumen inzwischen deutlich übertreffen. Dass es sich bei den EEG-Vergütungen formalrechtlich nicht um staatliche Beihilfen, sondern um eine per Gesetz vorgeschriebene Umlagefinanzierung durch die Stromverbraucher handelt, ändert nichts an der ökonomischen Wirkung.
Die Verhältnismäßigkeit beim Subventionsabbau zu beachten, mahnt auch das Institut der deutschen Wirtschaft (IW) an. Selbst bei einem engeren Subventionsbegriff als in den Kieler Studien bleibt der Anteil der Steinkohle gering und nirgendwo ist der Subventionsabbau
schon so weit forciert worden. Gemäß den Subventionsberichten des Bundes und der Länder veranschlagt das IW das Gesamtvolumen an jährlichen Finanzhilfen und Steuervergünstigungen für private Unternehmen in Deutschland auf über 50 Mrd. Euro; der letzte Subventionsbericht der Bundesregierung von 2003 spricht von rund 58 Mrd. Euro Subventionen aller deutschen Gebietskörperschaften. Daran haben die Steinkohlehilfen einen Anteil von rund 5%, d.h. 95% der Unternehmenssubventionen betreffen nicht die deutsche Steinkohle! "Kohle sollte Schule machen", so hat das IW einen Beitrag vom 18. August 2005 zum Subventionsabbau betitelt und die deutsche Steinkohle als positives Musterbeispiel herausgestellt. Denn deren bisheriger und schon beschlossener weiterer Subventionsabbau ist beispiellos. Würden auch alle anderen Subventionen in diesem Tempo abgebaut, so das IW, könnten die öffentlichen Hände insgesamt
jährlich bis zu 15 Mrd Euro einsparen. Gegenüber 1996 sind die Steinkohlehilfen bis heute halbiert worden, die bisherigen Zusagen sehen eine weitere Kürzung um ein Drittel vor. Als Konsequenz mussten allein seitdem zehn Steinkohlenbergwerke in Deutschland stillgelegt
und 45.000 Bergbau-Arbeitsplätze abgebaut werden. Bis 2012 müssen von heute noch neun Bergwerken weitere vier stillgelegt werden, fast 20.000 weitere Bergbau-Arbeitsplätze werden verloren gehen. Haushaltseinsparungen bei den Kohlehilfen stehen massive Verluste an
Wirtschaftsleistung gegenüber, denn neue Jobs etwa in Tourismus, Kultur oder anderen Dienstleistungen können die verloren gegangene industrielle Wertschöpfungskette nicht ersetzen.
Auch rein haushaltspolitisch würde ein zusätzlicher Subventionsabbau bei der deutschen Steinkohle nichts Wesentliches bringen. Am Bundeshaushalt und am Landeshaushalt NRW haben die Steinkohlehilfen einen Anteil von gerade 1%. Zusätzliche Subventionskürzungen stünden andererseits fiskalische und volkswirtschaftliche Folgekosten - etwa erhöhten Stilllegungsbedarfs, erhöhter Arbeitslosigkeit und erhöhter Importabhängigkeit -
gegenüberstehen. Per Saldo wäre darum auf Jahre hinaus mit keiner nennenswerten Haushaltsentlastung zu rechnen, wie auch der bisherige für den Steinkohlenbergbau tief greifende Subventionsabbau keine spürbar entlastenden Wirkungen auf die Gesamtlage der Bund- und Länderhaushalte hatte.
Wer dennoch, ggf. unter Bruch der bestehenden Zusagen, in den nächsten Jahren einen zusätzlichen, ja sogar totalen Subventionsabbau ausgerechnet bei der Steinkohle verlangt und so tut, als sei dies der Subventionsbereich, bei dem unbedingt ein Zeichen gesetzt werden müsse, ist nicht gut informiert oder handelt wider besseres Wissen. Zugleich gefährden solche Ansätze die Sozialverträglichkeit des weiteren Anpassungsprozesses im Steinkohlenbergbau, die Wirtschaftskraft der betroffenen Regionen sowie die energie-, rohstoff- und industriepolitischen Funktionen der heimischen Steinkohleförderung. Das wäre ebenso verantwortungslos wie
ökonomisch irrational.
Pressemitteilung Gesamtverband des deutschen Steinkohlenbergbaus vom 31.08.2005