Experte: Korruption drückt Wirtschaftsleistung um sechs Prozent
Archivmeldung vom 11.07.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittGäbe es in Deutschland weniger Korruption, wäre die Wirtschaftsleistung bedeutend höher. Das sagte der Passauer Wirtschaftsprofessor Johann Graf Lambsdorff dem "Tagesspiegel am Sonntag".
"Hätte Deutschland die gute Bewertung von Finnland, wäre
das Inlandsprodukt um sechs Prozent höher", sagte er. Denn bei
weniger Korruption würde das Sachkapital effizienter eingesetzt; die
Produktivität wäre höher. "Außerdem würde netto mehr Kapital nach
Deutschland fließen", sagt Lambsdorff. Er schätzt das zusätzliche
Volumen auf 0,75 Prozent des Inlandsprodukts. Der Trend zur
Auslagerung von Produktion fördert nach Ansicht der
Anti-Korruptions-Organisation Transparency International (TI) jedoch
die Zahl unsauberer Geschäfte. "Der Trend zum Outsourcing in den
Unternehmen scheint die Korruptionsgefahr zu erhöhen", sagt TI-
Vizechef Peter von Blomberg. "Mit der Zahl der Schnittstellen nach
außen steigt auch die Gefahr, dass geschummelt wird." Für eine
wirkungsvolle Bekämpfung von Korruption braucht die deutsche Justiz
nach Ansicht von Experten aber mehr Personal. "Es gibt zu viele
Wirtschaftskriminelle, aber zu wenige Wirtschaftskriminalisten",
sagte der Frankfurter Oberstaatsanwalt und Korruptionsexperte
Wolfgang Schaupensteiner dem "Tagesspiegel am Sonntag". Die
Wirtschaftskriminalität boome - "aber wir können ihr nicht so schnell
und umfassend nachgehen, wie es erforderlich wäre". Schätzungsweise
95 Prozent der Wirtschafts-Straftaten decke die Justiz gar nicht auf.
Nötig seien mehr Korruptions-Spezialisten. Derzeit "ist für die
Straftäter das Risiko, entdeckt zu werden, gering". Zumal die Täter,
die bestechlich sind oder bestechen, meist nicht auf den Kopf
gefallen seien. Schaupensteiner: "Sie wissen, wie man interne
Kontrollen umgeht. Auch Umfragen belegen, dass das
Korruptionshandwerk vorwiegend in den Führungsetagen exerziert wird."
Quelle: Pressemitteilung Tagesspiegel