Wirtschaftsforscher: Berlin profitiert vom BER-Verzögerung
Archivmeldung vom 09.01.2013
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach Einschätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) profitiert die Berliner Wirtschaft von den Verzögerungen beim Bau des neuen Hauptstadtflughafens in Schönefeld. Zur Begründung sagte der IW-Experte Klaus-Heiner Röhl "Handelsblatt-Online", dass erst die Verlagerung des Flugbetriebs von Tegel zum neuen Grußflughafen "statistisch die Wertschöpfung und Arbeitsplätze des Standortes Tegel ins brandenburgische Schönefeld verschiebt".
IW-Angaben zufolge macht der Betrieb am Flughafen Tegel derzeit etwa vier Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) Berlins aus. "Man muss sich darüber im Klaren sein, dass das Berliner BIP im Jahr der BER-Eröffnung wohl schrumpfen wird, was nun weiter hinausgeschoben wird", sagte Röhl. Der IW-Forscher gibt zudem zu bedenken, dass der Flughafen Tegel bislang den Mehrverkehr, der mit dem Sommerflugplan 2012 über den BER abgewickelt werden sollte, "ganz gut gemeistert" habe.
Die Zahl der Berlin-Besucher habe 2012 weiter deutlich zugenommen, die Hotelauslastung sei sogar trotz Ausweitung des Angebots gestiegen. Auch deshalb dürfte, wie Röhl sagte, der Berliner Wirtschaft bislang keine Wertschöpfung verloren gegangen sein. Gleichwohl seien in Tegel vor allem in den Ferien und zu Messeterminen das Gebäude und die Zufahrtswege "sichtbar überlastet", fügte der Ökonom hinzu. Das führe letztlich dazu, dass die Fluglinien weitere Expansionspläne bis nach der BER-Eröffnung zurückstellten.
Forderungen der Lufthansa und Air Berlin nach Investitionen in den Ausweichflughafen Tegel, um einen vernünftigen Service für Fluggäste zu gewährleisten, sieht Röhl skeptisch. Ob Investitionen sinnvoll seien, hänge vom neuen Eröffnungstermin ab. Bei einer Eröffnung im Frühjahr 2014 lohne sich das sicher nicht. "Sollte es dagegen erst Ende 2014 oder 2015 so weit sein, muss wohl noch in Tegel investiert werden", sagte der IW-Experte. Da die Investition mit Schließung aber "nutzlos" werde, wären die Kosten den Mehrkosten von BER zuzuschlagen.
Mit Blick auf die Kostenentwicklung für den neuen Großflughafen schloss Röhl einen weiteren Anstieg nicht aus. Durch die erneute Verzögerung dürften die Kosten schon auf etwa 4,5 Milliarden Euro steigen. "Der weitere Kostenanstieg hängt natürlich maßgeblich davon ab, in welchem Umfang falsch geplante Einrichtungen etwa bei der Verkabelung oder den Treibstoffleitungen zurückgebaut werden müssen." Insofern sei auch eine Überschreitung der 4,5 Milliarden möglich.
Dessen ungeachtet hält Röhl ein Szenario für wenig realistisch, den BER komplett neu zu bauen. "Auch wenn der Umfang der Nachbesserungen immer noch nicht absehbar ist, macht ein Abriss und Neubau weder finanziell noch zeitlich Sinn", sagte der IW-Experte. Die Gebäude an sich seien ja nicht das Problem, auch wenn es tatsächlich zu wenig Gepäckbandkapazität geben sollte. "Aber man wird wohl einige der entlassenen Planer wieder einstellen müssen, um sich schneller einen Überblick über die Fehler zu verschaffen auch wenn das angesichts der Planungsfehler schmerzt", sagte Röhl.
Quelle: dts Nachrichtenagentur