Ver.di-Chef Bsirske will 2012 Lohnerhöhungen notfalls mit "harten Maßnahmen durchsetzen"
Archivmeldung vom 28.11.2011
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtNach Jahren der Lohnzurückhaltung wollen die Gewerkschaften 2012 wieder kräftige Lohnsteigerungen aushandeln. "Nach zwei Jahren des Aufschwungs haben die Beschäftigten Anspruch auf eine ordentliche Erhöhung ihrer Löhne und Gehälter", sagte der Vorsitzende der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di, Frank Bsirske, der Tageszeitung "Die Welt" (Montags-Ausgabe).
Dies gelte für Branchen wie Post oder Telekom genauso wie für den öffentlichen Dienst von Bund und Kommunen. Auch die IG Metall will sich dieses Mal nicht zurückhalten: "Die Beschäftigten sehen, es brummt in der Mehrzahl der Unternehmen. Die Bilanzen, die im kommenden Frühjahr vorgelegt werden, werden das eindrucksvoll beweisen. Dieser Boom wäre ohne das Engagement der Beschäftigten nicht zu bewältigen gewesen, dafür erwarten sie auch einen angemessenen Anteil am Erfolg in Form dauerhafter Entgelterhöhungen", sagte Jörg Hofmann, Bezirksleiter der IG Metall Baden-Württemberg, der "Welt". Die Tarifrunden für die 3,2 Millionen Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie und für die 1,2 Millionen Beschäftigten im öffentlichen Dienst von Bund und Gemeinden Anfang des kommenden Jahres gehören zu den entscheidenden Verhandlungen 2012, die Signale für die Gesamtwirtschaft setzen dürften.
Auch zahlreiche andere Branchen wie die Chemieindustrie, der Einzelhandel oder auch die Banken werden dann neu verhandeln. Wie erfolgreich sie dabei sein werden, hängt auch davon ab, wie die wirtschaftliche Lage sich entwickelt: Angesichts der Euro-Krise herrscht große Unsicherheit. Doch nach derzeitigen Prognosen gehen Ökonomen davon aus, dass die Arbeitnehmervertreter eine gute Position haben.
"Wir gehen im kommenden Jahr von tariflichen Lohnsteigerungen von 2,5 bis drei Prozent aus", sagt Carsten-Patrick Meier vom Forschungsinstitut Kiel Economics. In diesem Jahr waren es nur 1,8 Prozent. Frank Bsirske jedenfalls zeigt sich kampfbereit für die Müllmänner, Krankenschwestern und Erzieherinnen, die er vertritt: Der Staat dürfe nicht nur Banken retten, sondern müsse vor allem etwas für höhere Einkommen der Beschäftigten und damit für die Ankurbelung der Binnenkonjunktur tun, fordert der Ver.di-Chef.
"Verglichen mit Bereichen der Industrie, sind die tariflichen Einkommen bei den öffentlich Beschäftigten in den vergangenen zehn Jahren weit weniger gestiegen", sagt Bsirske. Der Zuwachs im öffentlichen Dienst habe um mehr als ein Drittel hinter dem bei Metall- oder Chemieindustrie gelegen. Diese Lücke, so Bsirske, müsse nun ein Stück weit geschlossen werden. "Und wenn es darauf ankommt, sind wir auch zu harten Maßnahmen zur Durchsetzung unserer Forderungen bereit." Die IG Metall möchte sich lieber noch nicht allzu weit aus dem Fenster lehnen, zu sehr erinnert sie sich noch an die Situation im Herbst 2008, als sie eine Lohnforderung von acht Prozent ausgesprochen hatte – direkt danach brach die deutsche Wirtschaft in der Finanzkrise ein. Dementsprechend vorsichtig klingt Bezirksleiter Hofmann bei seinem wirtschaftlichen Ausblick, in den er die Euro-Krise mit einbezieht. Das "Abdrosseln der Konjunktur in Südeuropa durch eine einseitige Sparpolitik zulasten der Masseneinkommen" hinterlasse ebenso seine Spuren, wie "die Refinanzierung der Unternehmen wieder in den Fokus" rücke, sagt Hofmann. "Wir werden im Blick nach vorne dennoch aus heutiger Sicht von einer stabilen Lage ausgehen können. Den Blick nach hinten wie nach vorne werden wir berücksichtigen, wenn wir Ende Februar 2012 unsere Forderung aufstellen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur