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Arbeitslosigkeit von Älteren um 50% höher als offiziell benannt

Archivmeldung vom 22.11.2010

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.11.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Fabian Pittich
Bild: Marko Greitschus / pixelio.de
Bild: Marko Greitschus / pixelio.de

Die tatsächliche Arbeitslosigkeit bei älteren Arbeitslosen über 58 Jahren ist um etwa 50% höher, als aus der offiziellen Zahl der Bundesregierung hervorgeht. Das belegen Berechnungen der Bundesagentur für Arbeit, die dem ARD-Politikmagazin "Report Mainz" vorliegen. Demnach werden zurzeit rund 149.000 Arbeitslose über 58 Jahren nicht in der offiziellen Arbeitslosenzahl (Oktober 2010: 2,95 Mio.) berücksichtigt.

Der Grund: 63.000 über 58-Jährige sind mit "arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen" beschäftigt. Dazu gehören u. a. Bewerbungstraining oder Existenzgründungsförderung. Sie stehen dem Arbeitsmarkt nicht zur Verfügung und gelten somit nicht als arbeitslos. Hinzu kommen 85.960 Langzeitarbeitslose (Stand: Oktober 2010), die aufgrund einer "vorruhestandsähnlichen Regelung" aus den offiziellen Arbeitslosenzahlen herausfallen.

So waren im Oktober 2010 nicht nur 302.970 über 58-Jährige ohne Job, sondern tatsächlich rund 450.000. Das sind fast 50% mehr. Die Zahl der älteren Langzeitarbeitslosen, die unter die sogenannte "vorruhestandsähnliche Regelung" fallen, steigt zudem stark an. Wurden im Oktober 2009 noch 45.009 Langzeitarbeitslose aus der offiziellen Arbeitslosenzahl heraus gerechnet, sind es heute bereits 85.960. Die "vorruhestandsähnliche Regelung" geht zurück auf den §53a SGBII und sieht vor, dass Langzeitarbeitslose über 58 Jahre nicht als arbeitslos gelten, wenn sie mindestens für die Dauer von zwölf Monaten Arbeitslosengeld II bezogen haben, ohne dass ihnen eine sozialversicherungspflichtige Beschäftigung angeboten worden ist. Diese "neue" 58er-Regelung trat am 1.1.2008 in Kraft, nachdem die "alte" 58er-Vorruhestandsregelung, die ALG I-Empfänger betraf, abgeschafft worden war.

Vor dem Hintergrund der Diskussion um eine längere Lebensarbeitszeit bekräftigt auch Wirtschaftswissenschaftler Prof. Bert Rürup die Kritik der Bundesagentur für Arbeit. Prof. Rürup in "Report Mainz": "Ich halte es für falsch, diesen Personenkreis aus der Zahl der registrierten Arbeitslosen rauszurechnen, gerade wenn man das Renteneintrittsalter hochhalten will, da ist statistische Ehrlichkeit angezeigt." Rürup gilt als Erfinder der Rente mit 67.

Auch Dr. Martin Brussig, Arbeitsmarktexperte am Institut für Arbeit und Qualifikation (IAQ) der Universität Duisburg-Essen, ist gegen den Fortbestand dieser Regelung: "Der §53a gehört abgeschafft, denn er bietet den Vermittlern die Möglichkeit, durch das Unterlassen, Ältere aus der Arbeitslosigkeit rauszunehmen. Normalerweise kann ein Vermittler die Arbeitslosigkeit dadurch senken, dass er Arbeitssuchenden Jobangebote unterbreitet. Bei Älteren kann er sie dadurch senken, dass er ihnen keine Jobangebote unterbreitet."

Bereits bei der Einführung der "vorruhestandsähnlichen Regelung" (§53a SGBII) im Januar 2008 hatte die Bundesagentur für Arbeit in einer Stellungnahme mit deutlichen Worten Kritik geübt: "Dies geht über das bisherige Kriteriensystem hinaus und widerspricht letztlich der gemeinten Bedeutung von Arbeitslosigkeit, nämlich der unfreiwilligen Beschäftigungslosigkeit. Dieser Bedeutungswandel, auch wenn er nur für einen kleinen Teil der Arbeitslosen eintritt, setzt die BA dem nicht zumutbaren Risiko eines Vorwurfs der Manipulation von Arbeitslosenzahlen aus. (...) Die BA plädiert für den Verzicht auf die Regelung." (Ausschussdrucksache 16 (11) 882, S. 10)

Quelle: SWR - Das Erste

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