Überschätzt: Hoher Ölpreis schadet dem Wachstum in Euroland kaum
Archivmeldung vom 02.12.2005
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 02.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittVerbraucher in Deutschland klagen über das immer größere Loch, das die hohen Benzin- und Heizölpreise in ihre Geldbeutel reißen. Doch auf nationaler Ebene scheint der steigende Ölpreis in Europa weniger Schaden anzurichten:
Prognosen der Wirtschaftsprüfungs- und
Beratungsgesellschaft PricewaterhouseCoopers (PwC) zufolge ist der
Einfluss des hohen Ölpreises auf die Wirtschaft in Euroland relativ
gering. Ein dauerhafter Anstieg des Ölpreises von zehn US-Dollar pro
Barrel könnte zu einem Leistungsverlust von insgesamt nur etwa einem
Prozent des Bruttosozialproduktes in fünf Jahren führen. Nach zehn
Jahren könnte die Wirtschaft in der Eurozone demnach etwa 1,25
Prozent des Bruttosozialproduktes einbüßen. Unter den wirtschaftlich
stärksten Nationen der EU ist Frankreich mit einem Gesamtverlust von
0,4 Prozent in den ersten drei Jahren am meisten vom gestiegenen
Ölpreis betroffen; Spanien wäre dagegen mit einem Verlust von weniger
als 0,1 Prozent des Bruttosozialprodukts am geringsten
beeinträchtigt.
Ost-West-Vergleich: "Old Europe" hinkt hinterher
Laut der PwC-Prognose wird sich das Wachstum in Euroland 2005 bei
1,5 Prozent einpendeln und im nächsten Jahr auf zwei Prozent
ansteigen. Dabei sehen die PwC-Experten 2006 überall ein stärkeres
Wirtschaftswachstum als in diesem Jahr voraus. Allerdings gibt es
deutliche Unterschiede zwischen den einzelnen Ländern in Ost- und
Westeuropa: führend sind die neuen Mitgliedsländer Tschechische
Republik (Wachstum 2005: 4,75 Prozent, Prognose für 2006: 4,5
Prozent), Ungarn (2005: 3,25 Prozent, Prognose für 2006: 4,5 Prozent)
und Polen (2005: 3,25 Prozent, Prognose für 2006: vier Prozent).
Damit können die "Old Europe"-Länder nicht mithalten. Italien etwa
schneidet weitaus schlechter ab: In diesem Jahr errechneten die
PwC-Experten ein Wachstum von null Prozent, das sich 2006 auf ein
Prozent steigern soll. Auch in den Niederlanden ist es schlecht
bestellt um das Wachstum: es wird erwartet, dass sich die 0,75
Prozent von 2005 im nächsten Jahr um einen Prozentpunkt auf 1,75
Prozent erhöhen. Ausnahme und damit Gewinner unter den größeren
europäischen Wirtschaftsgebieten ist Spanien, das sich nach
Einschätzung von PwC über ein 3,5-prozentiges Wachstum in diesem Jahr
und auf 3,25 Prozent im Jahr 2006 freuen kann.
Schleppende Binnennachfrage hemmt Wachstum in Deutschland
In Deutschland ist die Lage weniger rosig: Die PwC-Prognose sieht
2005 ein Wachstum von einem Prozent, das sich im kommenden Jahr um
0,5 Prozentpunkte steigern kann. Damit bleibt das Land
voraussichtlich unter dem Wert von 1,6 Prozent Wachstum im Jahr 2004.
Die vorsichtige Prognose von PwC ist auf die weiterhin schwache
deutsche Binnennachfrage zurück zu führen. Nach Meinung der
PwC-Experten könnte zudem jeglicher Rückgang des Nachfragezuwachses
aus dem Ausland Deutschlands exportgebundene Erholung bedrohen.
Haushaltsdefizite wachsen weiter - Zinserhöhung kaum sinnvoll
In der gesamten Eurozone werden die Defizite der nationalen
Haushalte dieses Jahr mit rund drei Prozent weiterhin hoch bleiben.
Laut der PwC-Prognose, die nicht von signifikanten politischen
Veränderungen ausgeht, werden die Haushaltsdefizite in Deutschland,
Frankreich und Italien 2005 bei drei bis vier Prozent des
Bruttosozialproduktes liegen. Die Zinserhöhung der Europäischen
Zentralbank könnte Schaden anrichten: "Ein solches Signal dürfte
nicht dazu beitragen, die Binnennachfrage anzukurbeln", so Professor
Norbert Winkeljohann, PwC-Vorstand. Die wirtschaftliche Erholung in
Euroland sei immer noch sehr empfindlich, darum sei dies gegenwärtig
nicht der beste Zeitpunkt, um die Zinsen zu erhöhen.
Bedrohung durch Billigjobs im Ausland weitaus geringer als
befürchtet
Die von vielen gefürchtete Bedrohung europäischer Arbeitsplätze
durch Billiglöhne im Ausland bleibt nach Einschätzung der
PwC-Experten aus. Zwar hat die Osterweiterung der EU wie auch die
wachsende Bedeutung Indiens und Chinas die billige Arbeit dort
attraktiver gemacht. Doch obwohl Firmen auch in Zukunft ihre
Produktion in die so genannten Billiglohnländer verlagern können,
dürfte dies nach Meinung der PwC-Experten nicht notwendigerweise zu
einem Nettojobabbau führen, da niedrigere Arbeitskosten im Ausland
nicht selten von einer geringeren Produktivität begleitet seien.
Die aktuelle Publikation "Economic research. European Overview"
von PricewaterhouseCoopers finden Sie online unter:
www.economics.pwc.com.
Quelle: Pressemitteilung PricewaterhouseCoopers AG WPG