Chemie-Arbeitgeber sehen keinen Spielraum für Inflationsausgleich
Archivmeldung vom 17.03.2022
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićIn der Tarifrunde der Chemieindustrie fordern die Arbeitgeber von der Gewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE) eine Abkehr von ihrer Forderung nach einem Inflationsausgleich für die 580.000 Beschäftigten. Das sagte der Verhandlungsführer des Bundesarbeitgeberverbands Chemie (BAVC), Hans Oberschulte, der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".
Durch
stark steigende Energiepreise und die wirtschaftlichen Folgen der
Ukraine-Krise fehlten den Unternehmen nun die Spielräume dafür. "So wie
sich die IG BCE das vor dem 24. Februar vorgestellt hat, werden wir die
Tarifrunde unter den neuen Umständen schlicht nicht führen können",
sagte Oberschulte. "Angesichts der extrem unsicheren Gesamtlage stellt
sich vielmehr die Frage, ob wir derzeit überhaupt eine dauerhaft
wirksame Entgelterhöhung vereinbaren können." Der BAVC vertritt in den
Tarifverhandlungen 1.900 Unternehmen.
Oberschulte ist auch
Personalchef des Chemiekonzerns BASF in Ludwigshafen. Nach ersten
Gesprächen in den Regionalbezirken wollen sich die Chemie-Tarifparteien
am Montag in Hannover zur ersten Runde ihrer Lohnverhandlungen auf
Bundesebene treffen. Die IG BCE ist mit der Forderung angetreten, eine
"nachhaltige Steigerung der Kaufkraft" der Beschäftigten zu erreichen.
Zwar hat die Gewerkschaft bisher keine konkrete Prozentzahl genannt.
Angesichts
von Inflationsraten von mehr als fünf Prozent hatte ihr
Verhandlungsführer Ralf Sikorski aber deutlich gemacht, dass es dabei um
Erhöhungen in einem Ausmaß gehe, "wie wir sie in den vergangenen Jahren
nicht erlebt haben". Die IG BCE hatte ihren Forderungsbeschluss am 22.
Februar gefasst, zwei Tage vor dem Angriff Russlands auf die Ukraine.
BAVC-Verhandlungsführer Oberschulte hob hervor, dass die aktuelle
Krisensituation keinen automatischen Teuerungsausgleich durch
Lohnerhöhungen erlaube. "Ich kann nicht einfach sagen: Die Preise gehen
hoch, also müssen die Entgelte entsprechend steigen oder sogar stärker."
Sämtliche Preissteigerungen träfen auch die Unternehmen - und
die Chemieindustrie als Großkunden für Energie derzeit ganz besonders.
Tatsächlich stünden die Unternehmen sogar vor der Frage: "Bekommen wir
überhaupt noch genug Energie für unsere Produktionsprozesse?" Denn wenn
Gasimporte ausfallen sollten, "würde nicht als Erstes den Haushalten die
Heizwärme abgestellt". In den Lohnverhandlungen der Chemieindustrie
gehe es deshalb jetzt "erst einmal um die Frage, inwieweit es
tarifpolitisch derzeit überhaupt etwas zu verteilen gibt", so
Oberschulte. Die Chemie-Tarifrunde ist die erste große
Branchentarifrunde in einem Wirtschaftsbereich, der ökonomisch
unmittelbar von den Folgen des Kriegs in der Ukraine und der Sanktionen
gegen Russland betroffen ist.
In der Metall- und
Elektroindustrie mit insgesamt knapp vier Millionen Beschäftigten laufen
die aktuellen Lohntarifverträge der IG Metall noch bis Ende September.
Quelle: dts Nachrichtenagentur