Boersen-Zeitung: Überflüssig wie ein Kropf
Archivmeldung vom 15.04.2006
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 15.04.2006 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKrise? Nachdem nun der dritte zeitweise geschlossene offene Immobilienfonds wiedereröffnet wurde, reibt man sich verwundert die Augen: welche Krise? Den Anlegern ist unmittelbar kein messbarer finanzieller Schaden entstanden. Die Deutsche Bank hat die Inhaber des Grundbesitz-Invest für die moderate Abwertung des Portfolios entschädigt.
Und wer in einem der KanAm-Fonds investiert
ist, hat sogar von der Schließung profitiert, wenn man auf die
während der Aussetzung der Rücknahme gestiegenen Anteilwerte und die
dank Gewinnen aus Immobilienverkäufen hochgezogenen Renditen schaut.
Angesichts dieser Entwicklung erscheinen die Geschehnisse der
vergangenen vier Monate, beginnend mit dem Einfrieren von 6 Mrd. Euro
Anlegergeldern durch die DB Real Estate, mehr denn je grotesk. Zumal
wenn man bedenkt, welche Gefahren durch den Aktionismus verschiedener
Beteiligter inklusive der Finanzaufsicht und der vorlauten
Ratingagentur Scope heraufbeschworen wurden. Das war kein
Krisenmanagement, sondern fahrlässiges Provozieren einer Krise. Es
fehlte nicht viel, dann hätte die seit langem grassierende Krise am
deutschen Gewerbeimmobilienmarkt nicht nur auf die Fonds
übergegriffen, sondern auf das ganze Finanzsystem. Das waren ja keine
Horrorfantasien hysterischer Beobachter. "Die Gefahr einer
Systemkrise" (so im Dezember Bankenpräsident Klaus-Peter Müller)
bestand sehr real. Marktteilnehmer, BaFin und Bundesbank hatten
längst die Katastrophenpläne aus den Schubladen geholt. Doch die
befürchtete schlimme Kettenreaktion blieb aus, vor allem weil die
Mehrzahl der privaten Anleger die Nerven behielt.
Zu Recht, wie sich gezeigt hat. Die wertstabile und
schwankungsarme Assetklasse der offenen Immobilienfonds kann als
weithin rehabilitiert gelten. Bis sich das auch zu all jenen Anlegern
herumgesprochen hat, die zwischenzeitlich Milliardenbeträge in andere
Sparformen umgeschichtet haben, wird es noch etwas dauern. Doch
unabhängig davon: Auch in dieser Krise liegt eine Chance. So sind die
vom Branchenverband BVI initiierten Reformen geeignet, dieses Produkt
noch wetterfester zu machen. Die an sich sinnvollen Maßnahmen werden
sich freilich als nutzlos erweisen, wenn bei allfälligen künftigen
Marktbelastungen und Marktstörungen nicht alle Akteure in ihrer
jeweiligen Verantwortung mehr Fingerspitzengefühl an den Tag legen
als bei dieser Krise, die so überflüssig war wie ein Kropf.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung