Arbeitgeber-Präsident Hundt warnt vor Mehrwertsteuererhöhung zum Stopfen von Haushaltslöchern
Archivmeldung vom 31.10.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittIm Rahmen der Verhandlungen zu einer großen Koalition hat Arbeitgeberpräsident Dieter Hundt vor einer Erhöhung der Mehrwertsteuer gewarnt. "Wenn eine Erhöhung in Betracht gezogen wird, dann nur mit einer uneingeschränkten Verwendung für die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge und bei vorangegangener Vereinbarung von Reformen in den Sozialsystemen", sagte Hundt der Düsseldorfer "Rheinischen Post".
"Eine
Mehrwertsteuererhöhung darf auf keinen Fall zum Stopfen von
Haushaltslöchern eingesetzt werden." Die Senkung der Sozialabgaben
unter 40 Prozent bezeichnete Hundt als Minimalziel für eine große
Koalition: "Jede Erhöhung der Gesamtabgabenlast verschlechtert unsere
Position im internationalen Wettbewerb", sagte der Präsident der
Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände (BDA). "Wir
müssen die hohen Sozialversicherungsbeiträge senken. Selbst die
politische Zielsetzung, auf unter 40 Prozent zu kommen, ist
bescheiden und ein Minimalziel." Zu den Gesprächen selbst sagte
Hundt: "Ich bin Optimist und sehe die Chance, dass eine große
Koalition auch große Projekte anpacken kann. Ich fordere die künftige
Regierung auf, diese Chancen zu nutzen, und ich warne nachdrücklich
davor, dass in vielen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
wichtigen Fragen eine Einigung auf kleinstem gemeinsamem Nenner
erfolgt." Die Akzeptanz der Bürger zu persönlichen Einschränkungen
sei "viel größer, als wir in der politischen Diskussion
unterstellen".
Das Interview im Wortlaut:
Herr Hundt, die große Koalition will im Haushalt 35 Milliarden
Euro einsparen. Kann die Wirtschaft damit leben?
Hundt: Die Haushaltskonsolidierung ist eine vorrangige Aufgabe der
kommenden Regierung. Auf der anderen Seite darf die Wirtschaft auf
keinen Fall zusätzlich belastet werden. Die deutschen Unternehmern
befinden sich im internationalen Wettbewerb in einer äußerst
angespannten Situation.
"Vorrangige Aufgabe" was heißt das konkret?
Hundt: Das heißt, dass die Ausgaben deutlich reduziert und
Subventionen abgebaut werden müssen. Ich denke insbesondere an den
Sozialhaushalt, der mit einem Drittel unseres Bruttoinlandsprodukts
zu hoch ist. Wir müssen die Sozialversicherungen...
... also Rente, Gesundheits- und Pflegeversicherung ...
Hundt: ...auf eine Basissicherung umstellen, mit einer Absicherung
der Risiken, die den Einzelnen überfordern, und einer Übertragung von
mehr Eigenverantwortung und Eigenvorsorge für Alter, Krankheit und
Pflege auf den Einzelnen.
Sehen Sie Schwarz-Rot auf dem Weg dorthin?
Hundt: Ich bin Optimist und sehe die Chance, dass eine große
Koalition auch große Projekte anpacken kann. Ich fordere die künftige
Regierung auf, diese Chancen zu nutzen, und ich warne nachdrücklich
davor, dass in vielen für Wachstum und Beschäftigung in Deutschland
wichtigen Fragen eine Einigung auf kleinstem gemeinsamem Nenner
erfolgt.
Meinen Sie, die Bürger sehen es ein, wenn sie mehr Eigenvorsorge
betreiben müssen, aber die Unternehmen weniger Steuern zahlen?
Hundt: Natürlich wird es beim unvermeidlichen Subventionsabbau
auch auf Seiten der Unternehmen Aufschreie geben. Den Beschäftigten
muss vermittelt werden, dass Steuern und Abgaben sinken. Die kommende
Regierung muss ein Gesamtkonzept vorlegen, das den Bürgerinnen und
Bürgern zeigt, wo wir stehen, wie es weiter geht und wie Deutschland
zu mehr Wachstum und Beschäftigung kommt.
Und so ein Konzept soll reichen?
Hundt: Ich bin überzeugt, dass die Akzeptanz persönlicher
Einschränkungen viel größer ist, als wir in der politischen
Diskussion unterstellen. Ich belege das mit der steigenden Zahl von
Bündnissen für Arbeit in den Betrieben nach dem Prinzip:
Zugeständnisse der Beschäftigten bei Arbeitszeit oder Sonderzahlungen
gegen Arbeitsplatzsicherheit.
Ein heißer Verhandlungspunkt ist die Erhöhung der Mehrwertsteuer.
Stellt sich die Wirtschaft schon darauf ein?
Hundt: In einer derart schwierigen wirtschaftlichen Situation ist
jede Steuererhöhung Gift für die Konjunktur. Wenn eine Erhöhung in
Betracht gezogen wird, dann nur mit einer uneingeschränkten
Verwendung für die Reduktion der Sozialversicherungsbeiträge und bei
vorangegangener Vereinbarung von Reformen in den Sozialsystemen. Eine
Mehrwertsteuererhöhung darf auf keinen Fall zum Stopfen von
Haushaltslöchern eingesetzt werden.
Würden Sie zur Sicherung von Renten- und Gesundheitssystem
Beitragserhöhungen, von denen derzeit die Rede ist, akzeptieren?
Hundt: Jede Erhöhung der Gesamtabgabenlast, und sei sie noch so
gering, geht in die falsche Richtung und verschlechtert über erhöhte
Arbeitskosten unsere Position im internationalen Wettbewerb. Wir
müssen die hohen Sozialversicherungsbeiträge senken. Selbst die
politische Zielsetzung, auf unter 40 Prozent zu kommen, ist
bescheiden und ein Minimalziel.
Quelle: Pressemitteilung Rheinische Post