Deutsche Umwelthilfe mahnt DaimlerChrysler wegen irreführender Werbung für Diesel-Smart ab
Archivmeldung vom 12.06.2006
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAngeblich mit Dieselpartikelfilter ausgestatteter Stadtwagen Smart ForTwo cdi schafft nur knapp die aktuelle Euro-4-Norm, überschreitet den Partikelgrenzwert der geplanten Euro-5-Norm um mehr als das Vierfache und stößt rund 20 Mal mehr Ruß aus als Diesel-Pkw mit echtem Dieselpartikelfilter - Bund und Länder bereiten neue Verzögerungsrunde bei der Förderung sauberer Diesel-Pkw vor.
Ausgerechnet beim Feinstaub-Ausstoß des Stadtwagens Smart mit
Dieselmotor führt der Daimler-Chrysler-Konzern seine Kunden in die
Irre. Die im aktuell beworbenen Smart ForTwo cdi Turbodiesel
serienmäßig eingebaute Abgasreinigung schafft mit 21,7 mg PM/km nur
knapp die seit Anfang 2005 europaweit verbindliche Euro-4-Norm, die
als Obergrenze 25 mg PM/km erlaubt. Den zukünftigen
Euro-5-Rußpartikelgrenzwert von 5 mg PM/km verfehlt der Kleinwagen
dagegen um mehr als das Vierfache. Damit müssten Autokäufer, die sich
für diesen Diesel-Smart entscheiden, nach den in der vergangenen
Woche veröffentlichten Plänen der Bundesregierung zur Förderung
sauberer Diesel-Pkw ab 2007 bei der erstmaligen Zulassung des
Kleinwagens sogar eine Strafsteuer in Höhe von 300 Euro und ab 2008
außerdem 40 Euro erhöhte Kfz-Steuer zahlen. Hinzu käme der
Wertverlust auf dem Gebrauchtwagenmarkt.
Dennoch präsentiert DaimlerChrysler den Diesel-Smart in
Kaufprospekten und in seinem Internet-Auftritt wie ein Ökomobil, das
wie alle Dieselmodelle von Mercedes serienmäßig mit einem geregelten
"Dieselpartikelfilter" ausgestattet sei. Diese Behauptung ist nach
Recherchen der Deutschen Umwelthilfe e. V. (DUH) falsch. In
Wirklichkeit handelt es sich bei der im Smart mit cdi-Motor
eingesetzten Abgasreinigungsanlage - entgegen den Angaben von Smart -
keinesfalls um einen "Dieselpartikelfilter", sondern um einen so
genannten PM Katalysator (PM Kat), der die gefährlichen
Feinstaubpartikel mehr als 20 Mal weniger wirksam aufhält als die
heute in allen anderen deutschen Neuwagen üblichen Rußpartikelfilter.
In der vergangenen Woche von DUH-Mitarbeitern in Smart-Autohäusern
durchgeführte Testbesuche und -anrufe ergaben, dass potenzielle
Käufer über die minderwertige Abgasreinigung des Diesel-Smart im
Unklaren gelassen werden. Dabei war vielfach erkennbar, dass
DaimlerChrysler auch die Händler über die tatsächlich eingebaute
Technik im Unklaren lässt. Die Verkäufer wussten in der Regel nicht,
dass der Smart cdi nicht mit einem Dieselpartikelfilter, sondern nur
mit einem minderwirksamen PM Kat ausgestattet ist.
Die DUH wirft der DaimlerChrysler Tochter Smart vor, mit der
fälschlich behaupteten serienmäßigen Ausstattung des Smart ForTwo
coupé cdi mit Dieselpartikelfilter seine Kunden in die Irre zu führen
und sich rechtswidrig einen Wettbewerbsvorteil zu verschaffen.
Deshalb hat die DUH die Smart GmbH in der vergangenen Woche abgemahnt
und zur Unterzeichung einer Unterlassungserklärung bis zum heutigen
Montag, 12. Juni 2006, 15 Uhr, aufgefordert.
"Wir werden nicht zögern, gegen diese eklatante Kundentäuschung
vor Gericht zu ziehen", sagt DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch,
"wenn die DaimlerChrysler Tochter Smart bei der Werbung für den
Diesel-Smart weiter auf Falschinformationen setzt". Der im Smart
eingesetzte PM-Kat diene lediglich dazu, den Feinstaub-Ausstoß des
Dieselmotors knapp unter den aktuell gesetzlich vorgeschriebenen
Grenzwert zu drücken, um dieses Smart-Modell überhaupt weiter
verkaufen zu können. Der PM Kat sei jedoch definitiv kein
Partikelfilter, sondern beruhe auf einer vollkommen anderen, minder
wirksamen Technik.
Diese Einschätzung der DUH teilt auch das Berliner Umweltbundesamt
(UBA), das die Bezeichnung eines PM Kat als Partikelfilter "technisch
falsch und daher unzulässig" nennt. Dem PM Katalysator schreibt das
UBA einen Wirkungsgrad von 30 bis 40 Prozent bei der Masse und 30 bis
50 Prozent bei Zahl der Partikel zu. Die heute in deutschen
Diesel-Pkw üblichen Partikelfilter bringen es dagegen auf einen
Wirkungsgrad von 95 Prozent bei der Partikelmasse und sogar 99,9
Prozent bei der Partikelzahl.
Resch wirft DaimlerChrysler vor, dass sich der Konzern mit dem
"neuesten technologischen Stand" des speziell für den Smart
optimierten "Dieselpartikelfilters" brüste. Der Kunde werde sogar mit
"potentiellen Kostenvorteilen" wegen des zu erwartenden höheren
Wiederverkaufswerts und der "steuerlichen Förderung in einigen
Ländern" gelockt. Resch: "Das ist kein Versehen, sondern
Desinformation gerade der ökologisch sensibilisierten Kunden, die bei
ihrer Kaufentscheidung den geringen Verbrauch beim Diesel mit
niedrigen Abgasemissionen verbinden wollen".
Nach Überzeugung der DUH führt DaimlerChrysler mit der
fälschlichen Kennzeichnung des PM Katalysators als
Dieselpartikelfilter nicht nur seine Kunden in die Irre, sondern
verschafft sich auch einen Wettbewerbsvorteil gegenüber Konkurrenten,
die tatsächlich hochwirksame und erheblich teurere Filter serienmäßig
einbauen. "Mit der technisch falschen Verwendung des Begriffs
Dieselpartikelfilter, der eine in der Realität nicht eingelöste
ökologische Vorteilhaftigkeit verspricht, verstößt DaimlerChrysler
eindeutig gegen das Wettbewerbsrecht", erklärte Cornelia Ziehm, die
Leiterein Verbraucherschutz und Recht. Die DUH gehe gegen den Konzern
auch vor, um potenzielle Nachahmer abzuschrecken. "Wir dürfen nicht
vergessen, dass Tricksereien wie diese am Ende nicht nur ökologisch
sensibilisierte Autokäufer täuschen, sondern die Eindämmung des
schwerwiegendsten Luftreinhalteproblems der Gegenwart immer weiter in
die Zukunft verschieben". Die Weltgesundheitsorganisation WHO geht
von jährlich 75.000 vorzeitigen Todesfällen aufgrund der
Feinstaubbelastung allein in Deutschland aus.
Resch warf dem DaimlerChrysler Konzern vor, mit Unterstützung
ehemaliger und aktiver Landes- und Bundespolitiker zu versuchen, noch
bis 2009 Diesel-Pkw ohne wirksame Partikelfilter auf den Markt zu
bringen. Darauf deute nicht nur die Verbrauchertäuschung beim Smart
hin. Es sei ein Skandal, dass sich DaimlerChrysler-Chef Dieter
Zetsche einerseits brüste, dass inzwischen alle
Mercedes-Dieselmodelle serienmäßig mit Partikelfilter ausgeliefert
würden und andererseits der in diesen Tagen gestartete Kompaktwagen
Caliber der Marke Dodge in seiner Dieselvariante nicht mit einem
Filter ausgestattet sei.
Nach Informationen der DUH war DaimlerChrysler - unterstützt von
BMW, Volkswagen und Audi - auch "erfolgreich" bei der erneuten
Verzögerung der steuerlichen Nachrüstförderung von Diesel-Pkw und
einer Malus-Regelung für Neufahrzeuge ohne Partikelfilter. Entgegen
den Ankündigungen der Bundesregierung von Mitte Mai werden die
"Vorschläge der Bundesregierung zur steuerlichen Förderung mit
Partikelfiltern nachgerüsteter Diesel-Pkw" inzwischen vom
Bundesverkehrsministerium nicht mehr mitgetragen. Bleibt es dabei,
hat die Automobilindustrie allen Grund zum Jubel - sie kann in
Deutschland weiterhin schmutzige und billige Diesel-Pkw verkaufen.
Quelle: Pressemitteilung Deutsche Umwelthilfe e. V.