Bruttoinlandsprodukt: Wirtschaftsleistung im 2. Quartal 2020 minus 9,7 %
Archivmeldung vom 25.08.2020
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Freigeschaltet durch André OttDas Bruttoinlandsprodukt (BIP) ist im 2. Quartal 2020 gegenüber dem 1. Quartal 2020 - preis-, saison- und kalenderbereinigt - um 9,7 % gesunken. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes fiel der massive Rückgang des BIP im 2. Quartal 2020 damit nicht ganz so negativ aus wie in der Schnellmeldung am 30. Juli 2020 berichtet (-10,1 %).
Der Einbruch der deutschen Wirtschaft war damit deutlich stärker als während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 (-4,7 % im 1. Quartal 2009) und somit der stärkste Rückgang seit Beginn der vierteljährlichen BIP-Berechnungen für Deutschland ab dem Jahr 1970.
Massive Einbrüche der inländischen und ausländischen Nachfrage
Bedingt durch die anhaltende Corona-Pandemie und die damit verbundenen Einschränkungen brachen die privaten Konsumausgaben im 2. Quartal 2020 um 10,9 % gegenüber dem 1. Quartal (preis-, saison- und kalenderbereinigt) ein. Die Investitionen in Ausrüstungen - also vor allem in Maschinen, Geräte und Fahrzeuge - gingen sogar um 19,6 % zurück. Auch die Bauinvestitionen waren im 2.Quartal mit -4,2 % deutlich rückläufig, was insbesondere auf das außergewöhnlich starke 1. Quartal zurückzuführen ist (+5,1 %). Stabilisierend wirkten lediglich die Konsumausgaben des Staates, die um 1,5 % höher waren als im Vorquartal. Sie verhinderten einen noch stärkeren Rückgang des BIP.
Ebenfalls massiv eingebrochen ist der Handel mit dem Ausland: Im 2. Quartal 2020 wurden preis-, saison- und kalenderbereinigt 20,3 % weniger Waren und Dienstleistungen exportiert als im 1. Quartal 2020. Die Importe gingen ebenfalls zweistellig um 16,0 % zurück. Damit waren die Rückgänge nochmals deutlich größer als während der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise im 1. Quartal 2009 (Exporte -11,0 %; Importe -5,9 %). Zu Beginn der Corona-Krise im 1. Quartal 2020 waren die Exporte bereits um 3,3 % und die Importe um 1,9 % zurückgegangen.
Bruttoinlandsprodukt bricht auch im Vorjahresvergleich ein
Auch im Vorjahresvergleich ist die Wirtschaftsleistung eingebrochen: Das BIP war im 2. Quartal 2020 preisbereinigt um 11,3 % niedriger als ein Jahr zuvor (auch kalenderbereinigt). Auch hier hatte es nicht einmal in den Jahren der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 so starke Rückgänge gegeben: Der bisher stärkste Rückgang gegenüber einem Vorjahresquartal war mit -7,9 % im 2. Quartal 2009 zu verzeichnen gewesen.
Deutlicher Rückgang der Nachfrage aus dem In- und Ausland gegenüber dem Vorjahr
Die inländische Nachfrage gab auch im Vorjahresvergleich deutlich nach: Die Investitionen in Ausrüstungen brachen um 27,9 % ein, nachdem sie schon im 1. Quartal 2020 um 9,5 % geschrumpft waren. Auch die privaten Konsumausgaben gingen im Vergleich zum Vorjahr preisbereinigt zweistellig um 13,0 % zurück. Dagegen bewahrten die staatlichen Konsumausgaben mit einem Plus von 3,8 % die Wirtschaft vor einem noch stärkeren Absturz. Stützend wirkten im Vorjahresvergleich auch die Bauinvestitionen, die um 1,4 % höher waren als im 2. Quartal 2019.
Auch im Vorjahresvergleich ist der Außenhandel massiv eingebrochen: Im 2. Quartal 2020 wurden preisbereinigt 22,2 % weniger Waren und Dienstleistungen ins Ausland exportiert als im 2. Quartal 2019. Die Importe gingen im selben Zeitraum mit -17,3 % nicht ganz so stark zurück.
Bruttowertschöpfung mit Ausnahme des Baugewerbes im Minus
Auf der Entstehungsseite des BIP war die preisbereinigte Bruttowertschöpfung im 2. Quartal 2020 in fast allen Wirtschaftsbereichen geringer als im 2. Quartal 2019. Den größten Rückgang gab es im Verarbeitenden Gewerbe mit einem Einbruch der Bruttowertschöpfung um 20,8 %. Nur in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gab es hier noch größere Rückgänge (-25,0 % im 2. Quartal 2009). Anders als in der damaligen Krise sind diesmal aber noch weitere Wirtschaftsbereiche von massiven Rückgängen betroffen. So nahm die Wirtschaftsleistung der Unternehmensdienstleister um 16,0 % und im Bereich Handel, Gastgewerbe und Verkehr um 12,9 % ab. Lediglich im Baugewerbe gab es im 2. Quartal 2020 einen Zuwachs der preisbereinigten Bruttowertschöpfung um 1,6 % gegenüber dem Vorjahr.
Erwerbstätigkeit mit größtem Rückgang seit der deutschen Vereinigung Die Wirtschaftsleistung wurde im 2. Quartal 2020 von rund 44,7 Millionen Erwerbstätigen mit Arbeitsort in Deutschland erbracht. Das waren 574 000 Personen oder 1,3 % weniger als ein Jahr zuvor (siehe Pressemitteilung 312/20 vom 18. August 2020). Einen Rückgang der Erwerbstätigenzahl hatte es zuletzt in der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise im 1. Quartal 2010 gegeben. Die Corona-Krise ist somit im 2. Quartal 2020 auch auf dem Arbeitsmarkt angekommen. Dabei ist zu beachten, dass die Kurzarbeit sich nicht auf die Erwerbstätigenzahlen auswirkt, weil Kurzarbeitende weiter als Erwerbstätige zählen.
Der extreme Anstieg der Kurzarbeit im 2. Quartal 2020 zeigt sich bei der Zahl der durchschnittlich geleisteten Arbeitsstunden je Erwerbstätigen: Diese verringerte sich nach ersten vorläufigen Berechnungen des Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) der Bundesagentur für Arbeit massiv um 8,8 % gegenüber dem Vorjahr. Das gesamtwirtschaftliche Arbeitsvolumen - also die Gesamtzahl der geleisteten Arbeitsstunden aller Erwerbstätigen - ging entsprechend im selben Zeitraum noch stärker um 10,0 % zurück.
Die gesamtwirtschaftliche Arbeitsproduktivität - gemessen als preisbereinigtes BIP je Erwerbstätigenstunde - ging nach vorläufigen Berechnungen gegenüber dem Vorjahresquartal um 1,5 % zurück. Je Erwerbstätigen war sie sogar um 10,2 % niedriger als im 2. Quartal 2019. In der Finanzmarkt- und Wirtschaftskrise 2008/2009 hatte es ähnlich hohe Rückgänge der Arbeitsproduktivität gegeben.
Sparquote der privaten Haushalte nahezu verdoppelt
In jeweiligen Preisen gerechnet war das BIP im 2. Quartal 2020 um 8,9 % und das Bruttonationaleinkommen um 8,3 % niedriger als ein Jahr zuvor. Das Volkseinkommen ging mit -7,3 % nicht ganz so stark zurück: Während das Arbeitnehmerentgelt nur um 3,6 % gegenüber dem Vorjahr fiel, gingen die Unternehmens- und Vermögenseinkommen aufgrund der Produktionsbeschränkungen nach ersten vorläufigen Berechnungen massiv um 17,6 % zurück.
Die Bruttolöhne und -gehälter der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer lagen 4,8 % unter dem Niveau des 2. Quartals 2019, die Nettolöhne und -gehälter 4,3 %. Im Durchschnitt je Arbeitnehmerin und Arbeitnehmer sanken die Löhne und Gehälter weniger stark (brutto -3,9 %, netto -3,4 %). Das verfügbare Einkommen der privaten Haushalte war im 2. Quartal 2020 dank staatlicher Hilfen wie Kurzarbeitergeld nur um 0,8 % geringer als vor einem Jahr. Dagegen gingen die privaten Konsumausgaben in jeweiligen Preisen zweistellig um 11,7 % zurück. Das relativ stabile Einkommen einerseits und die Konsumzurückhaltung andererseits führten zu einem erheblichen Anstieg des Sparens der privaten Haushalte. Nach vorläufigen Berechnungen ergibt sich daraus fast eine Verdopplung der Sparquote auf 20,1 % im 2. Quartal 2020 im Vorjahresvergleich (2. Quartal 2019: 10,2%).
Revision der bisherigen Ergebnisse und methodische Hinweise
Beginnend mit dem 2. Quartal 2020 hat das Statistische Bundesamt erstmals das BIP bereits 30 Tage nach Quartalsende veröffentlicht, und damit rund zwei Wochen früher als bisher. Die höhere Aktualität der Ergebnisse erfordert dabei mehr Zuschätzungen. Auch die größeren Unsicherheiten aufgrund der Corona-Pandemie können zu stärkeren Revisionen als sonst üblich führen. Mit der Berechnung der ausführlichen Ergebnisse des 2. Quartals 2020 hat das Statistische Bundesamt auch das Bruttoinlandsprodukt überarbeitet. Mit den seit der Schnellmeldung am 30. Juli 2020 neu verfügbaren statistischen Informationen ergab sich für das Bruttoinlandsprodukt eine Revision um 0,4 Prozentpunkte nach oben.
Neben der Neuberechnung des 2. Quartals 2020 hat das Statistische Bundesamt wie zu diesem Zeitpunkt üblich auch weiter zurückliegende Ergebnisse der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnungen überarbeitet (ab 2015). Dabei ergaben sich für das Bruttoinlandsprodukt Änderungen der bisherigen Ergebnisse von bis zu 0,4 Prozentpunkten. Bei saison- und kalenderbereinigten Werten sowie bei Kettenindizes (wegen der Änderung des Referenzjahres 2015) kommt es darüber hinaus zu geringfügigen Änderungen der Zeitreihe ab 1991.
Krisenmonitor ermöglicht Vergleich zwischen Corona-Krise und Finanz- und Wirtschaftskrise
Das Bruttoinlandsprodukt ist auch Teil des "Krisenmonitors" (www.destatis.de/krisenmonitor), mit dem das Statistische Bundesamt die Entwicklung wichtiger Konjunkturindikatoren in der Corona-Krise und in der Finanz- und Wirtschaftskrise 2008/2009 gegenüberstellt. Der Krisenmonitor ergänzt die Sonderseite Corona-Statistiken, die seit Anfang April statistische Informationen zu den wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bündelt.
Quelle: Statistisches Bundesamt (ots)