Kinderarmut: Unter Dreijährige besonders stark betroffen
Archivmeldung vom 01.02.2012
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Kinderarmut in Deutschland entwickelt sich zwar insgesamt rückläufig, doch innerhalb der Bundesländer, Landkreise und Städte klaffen die Armutsquoten weit auseinander. Dies geht aus einer aktuellen Studie der Bertelsmann Stiftung hervor, die erstmals die Armutsquoten für die Altersgruppe der unter Dreijährigen für alle 412 Kreise und kreisfreien Städte in Deutschland veröffentlicht hat. Die Studie zeigt auch, dass die unter Dreijährigen das höchste Armutsrisiko aller Kinder tragen.
Schon auf Länderebene weicht das Ausmaß der Kinderarmut erheblich voneinander ab. So war in Sachsen-Anhalt die Armutsquote im Jahr 2010 mit 33,2 Prozent bei den unter Dreijährigen mehr als drei Mal höher als in Bayern. Dort leben lediglich 10,1 Prozent der jüngsten Kinder in Familien, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Das Ost-West-Gefälle ist nach wie vor stark, hat sich allerdings verringert. Während in den ostdeutschen Bundesländern (ohne Berlin) die Armutsquote bei den unter Dreijährigen um 5,3 Prozentpunkte auf 28,1 Prozent sank, ging im Westen die Quote im selben Zeitraum lediglich um 0,8 Prozentpunkte auf 17,2 Prozent zurück.
Am stärksten von Armut betroffen sind weiterhin die Kinder unter drei Jahren in Berlin (36,3 Prozent). Auch Berlin verzeichnet jedoch – wie ausnahmslos alle Bundesländer – einen Positivtrend: Zwei Jahre zuvor hatte die Armutsquote dort noch bei 39,9 Prozent gelegen. Insgesamt lebten 2010 in Deutschland 403.000 Kinder unter drei Jahren in Familien, die auf staatliche Grundsicherung angewiesen sind. Das entspricht einer bundesweiten Armutsquote von 19,8 Prozent. Zwei Jahre zuvor hatte die Quote noch bei 21,2 Prozent gelegen. Im Vergleich zur Altersgruppe der unter Dreijährigen ist der Anteil aller Kinder unter 15 Jahren, die in Armut aufwuchsen, weitaus geringer: Er lag bundesweit lediglich bei 15,9 Prozent.
Noch größer als zwischen den Bundesländern sind die Differenzen zwischen den Landkreisen und Städten. Demnach stellen sich selbst in dem Bundesland mit der niedrigsten Armutsquote, in Bayern, Lebensverhältnisse von Kindern höchst unterschiedlich dar: So wuchsen nach den aktuellsten vorliegenden Regionaldaten im Jahr 2009 im Landkreis Freising 2,4 Prozent der unter Dreijährigen in armen Familien auf, in der Stadt Hof hingegen 32,4 Prozent. In allen Bundesländern gibt es Städte, in denen jedes dritte Kind unter drei Jahren in Armut lebt. Im Osten überschreitet die Armutsquote vieler Städte 40 Prozent.
Erstmals weist die Bertelsmann Stiftung exemplarisch nach, dass das Armutsgefälle innerhalb ein und derselben Stadt sogar noch erheblich höher sein kann als zwischen den Regionen. Dies zeigt sich an den Städten Heilbronn (Baden-Württemberg) und Jena (Thüringen), die den von der Bertelsmann Stiftung neu entwickelten Sozialraumatlas KECK zur Betrachtung einzelner Stadtviertel nutzen. Das Ergebnis offenbart eklatante Unterschiede in den Lebensbedingungen der heranwachsenden Generation: In manchen Stadtteilen liegt die Armutsquote von Kindern unter drei Jahren nur bei etwas über einem Prozent, in anderen bei über 50 Prozent. Die Auswertung des Sozialraumatlas soll in beiden Städten in ein Konzept münden, wie durch gezielte Angebote benachteiligte Stadtviertel gefördert werden können. Dabei wird Armut als einer von mehreren Faktoren betrachtet, die die Entwicklungschancen von Kindern stark beeinflussen.
Jörg Dräger, Vorstandsmitglied der Bertelsmann Stiftung, plädiert als Konsequenz aus den Armutszahlen für eine andere Verteilung der staatlichen Gelder: „Armut darf nicht in Chancenlosigkeit münden. Wo die Probleme größer sind, muss auch mehr Geld für gute Kitas und gezielte Förderung in Brennpunkten investiert werden. Gerade die frühkindliche Phase ist entscheidend für die Entwicklung eines Kindes.“
Quelle: Bertelsmann Stiftung (idw)