Zeitung: Ukraine-Krise und Gaza-Krieg belasten deutschen Arbeitsmarkt
Archivmeldung vom 28.07.2014
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Freigeschaltet durch Manuel SchmidtDie Ukraine-Krise, die Sanktionspläne gegen Russland und der Gaza-Krieg drohen sich auch auf den deutschen Arbeitsmarkt auszuwirken. "Die geopolitischen Spannungen und die damit einhergehende Unsicherheit übertragen sich auch teilweise auf die Personalpolitik der Unternehmen", sagte Ifo-Konjunkturexperte Klaus Wohlrabe dem "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe). "Im Moment zeigen sich keine größeren Wachstumsimpulse, die dazu führen könnten, verstärkt neues Personal einzustellen."
Die Einschätzung basiert auf dem Ifo-Beschäftigungsbarometer, das die Münchener Konjunkturforscher jeden Monat exklusiv für das "Handelsblatt" berechnen. Die Unternehmen würden demnach zwar weiterhin Personal suchen, die Einstellungsbereitschaft bleibe jedoch eher zurückhaltend.
Im Juli verharrt der Index den Angaben zufolge auf dem Vormonatsstand von 106 Punkten und damit auf dem niedrigsten Wert seit einem Jahr. Die größte Einstellungsbereitschaft zeigten weiterhin die Dienstleister.
Dagegen sei das Beschäftigungsbarometer für das Verarbeitende Gewerbe erneut leicht gesunken. Im Baugewerbe oder im Handel suchten nur noch vereinzelt Unternehmen nach neuen Mitarbeitern.
DIHK rechnet mit Einbruch deutscher Exporte nach Russland
Die Ausfuhren der deutschen Wirtschaft nach Russland könnten in diesem Jahr deutlich zurückgehen. Damit rechnet nach einem Bericht des "Handelsblatt" (Dienstagsausgabe) der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK), der sich dabei auf Rückmeldungen deutscher Unternehmen in Moskau und St. Petersburg stützt.
Der DIHK rechnet demnach damit, dass die Exporte der deutschen Wirtschaft nach Russland 2014 um mindestens 17 Prozent im Vergleich zum Vorjahr sinken werden das entspricht einem Handelsvolumen von sechs Milliarden Euro. "Die deutsch-russischen Wirtschaftsbeziehungen sind aktuell stark belastet", sagte der stellvertretende DIHK-Hauptgeschäftsführer Volker Treier.
Viele deutsche Firmen in Russland sorgen sich, dass die russischen Firmen die Kundenbeziehung beendeten. "Zum Teil ist das bereits schon geschehen", so Treier. "Die russischen Kunden befürchten offenbar, dass die deutschen Firmen wegen der drohenden Wirtschaftssanktionen ihren Liefer- und Wartungsverpflichtungen nicht mehr nachkommen können."
Verbreitet sei diese Sorge vor allem im Maschinenbau. Treier meint zwar, es sei das "Primat der Politik", politischen Druck auf Russland auszuüben. Wichtig für die Unternehmen sei aber, "dass die Sanktionen einen klaren zeitlichen Rahmen haben und klar definiert ist, was verlangt wird, um sie zu beenden". Das stelle sicher, dass die Partnerschaft nicht langfristig belastet werde.
Steinmeier für "ausgewogenes Sanktionspaket" gegen Russland
Bundesaußenminister Frank-Walter Steinmeier hat sich für ein "ausgewogenes" Paket möglicher Sanktionen gegen Russland ausgesprochen. Rüstungswirtschaft, Finanzwirtschaft, Hochtechnologie und vieles andere müssten gleichermaßen betroffen sein, erklärte Steinmeier im Interview mit dem "Deutschlandfunk". Und wenn es negative Folgen gebe, "dann müssen sie auch in Europa insgesamt getragen werden".
Wirtschaftliche Konsequenzen für Moskau seien bereist jetzt spürbar, "und sie sind für Russland ausgesprochen negativ", so Steinmeier. In der kommenden Woche könnte die Europäische Union erstmals Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen.
Umfrage: Mehrheit befürwortet härtere Sanktionen gegen Russland
Eine Mehrheit der Deutschen befürwortet härtere Sanktionen gegen Russland und würde dafür sogar Arbeitsplatzverluste in Kauf nehmen. Das ergab eine TNS-Infratest-Umfrage für das Nachrichtenmagazin "Der Spiegel". Demnach sind 52 Prozent der Deutschen für härtere Sanktionen, selbst wenn das "viele Arbeitsplätze" in Deutschland kosten würde.
39 Prozent der Befragten sprachen sich dagegen aus. Für einen Alleingang der Bundesregierung bei härteren Sanktionen sind der Umfrage zufolge immerhin noch 40 Prozent, 54 Prozent lehnen das ab. In der kommenden Woche könnte die Europäische Union erstmals Wirtschaftssanktionen gegen Russland beschließen.
Sanktionen: Schäuble hält Wirtschaftsinteressen für zweitrangig
In der Debatte um härtere Wirtschaftssanktionen gegen Russland hält Bundesfinanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) die wirtschaftlichen Interessen Deutschlands für zweitrangig. "Wirtschaftsinteressen haben nicht oberste Priorität", sagte Schäuble "Bild am Sonntag". "Oberste Priorität hat die Wahrung von Stabilität und Frieden. Wenn der deutsche Finanz- oder Wirtschaftsminister sagen würde: `Vorsicht, Sanktionen schaden unseren Wirtschaftsinteressen`, dann hätte die Kanzlerin den falschen Wirtschafts- oder Finanzminister."
Im Konflikt mit Russland sprach sich Schäuble für ein entschlossenes Vorgehen aus: "Niemand in Moskau darf den Eindruck gewinnen, Russland könne mit seinem Vorgehen am Ende erfolgreich sein. Dazu gehört auch, die Verlässlichkeit der Nato zu betonen."
Laut Schäuble zeigten auch die bisher verhängten Sanktionen gegen Moskau Wirkung: "Tatsache ist: Der Rubel verliert an Wert, das Haushaltsdefizit Russlands steigt, die wirtschaftliche Entwicklung ist schlecht. Das sieht auch der russische Präsident." Im übrigen sei es "leicht, Sanktionen zu fordern, die nicht die eigene Wirtschaft betreffen. Einige europäische Staaten hängen zu 100 Prozent von Öl- und Gaslieferungen aus Russland ab."
Um die Ukraine-Krise zu lösen setzt Schäuble vor allem auf eine gute Zusammenarbeit zwischen Europa und den USA und ein einheitliches Auftreten der Europäer: "Die Krise um die Ukraine zeigt, dass die Anforderungen an Europa größer werden. Ohne die transatlantische Partnerschaft mit den USA wird uns das aber nicht gelingen."
Quelle: dts Nachrichtenagentur