Wie es kommt
Archivmeldung vom 30.12.2008
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 30.12.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakAlles wird ganz schrecklich – meinen die einen. In der Krise steckt auch eine Chance – sagen andere. Was erwartet die deutsche Wirtschaft vom neuen Jahr?
„Die meisten machen sich große Sorgen“, schreibt einer. „Das Minus
dürfte deutlich höher ausfallen als 2008“, orakelt ein anderer. „Es ist
ein drastischer Produktionseinbruch zu erwarten“, befürchtet ein
Dritter. Das bedeute natürlich: „Wir kommen nicht umhin, Arbeitsplätze
abzubauen“, wie einem wiederum anderen schwant.
So klingen schlechte Nachrichten. Einen großen Stapel davon hat das
arbeitgebernahe Institut der deutschen Wirtschaft (IW) produziert, als
es vor kurzem die wichtigsten Wirtschaftsverbände des Landes nach deren
Aussichten und Plänen für das kommende Jahr befragt hat. Das Ergebnis
überrascht angesichts des globalen Abschwungs nicht. „Die Finanz- und
Wirtschaftskrise drückt nun auch der Konjunktur in Deutschland ihren
Stempel auf“, sagte IW-Direktor Michael Hüther am Montag. Nach drei
Jahren mit ordentlichen Wachstumsraten hat es bei der Zuversicht der
Manager einen deutlichen Schwenk gegeben: Von den 43 befragten
Verbänden gaben 41 an, die Stimmung ihrer Mitgliedsunternehmen sei
schlechter als noch Ende 2008. „Viele Branchen blicken dem neuen Jahr
mit Sorgen entgegen“, analysierte Hüther.
Das zeigen die Geschäftspläne in den verschiedenen Branchen für die
kommenden Monate. 35 der 43 Branchen, also drei von vier Verbänden,
rechnen damit, dass sie 2009 weniger Umsatz einfahren werden als 2008.
Lediglich drei Branchen – die Elektrotechnik, der Groß- und Außenhandel
sowie die Investmentfirmen – halten dagegen ein Plus für
wahrscheinlich.
Ähnlich ist das Bild bei den Investitionsplänen. 29 Wirtschaftsbereiche
werden ihre Ausgaben für neue Maschinen und Anlagen angesichts der
geringen Nachfrage wohl zurückschrauben. Nur die Autokonzerne sowie die
Energie- und Wasserfirmen planen, mehr Geld zu investieren.
Nicht ohne Folgen bleibt all das für die Beschäftigten. 26 der 43
Verbände sind der Ansicht, dass ihre Unternehmen Stellen abbauen
müssen, um durch die Krise zu kommen. Der Rest plant mit einer gleich
bleibenden Mitarbeiterzahl. Einstellungspläne schmiedet derzeit
offenbar so gut wie niemand. IW-Chef Hüther erwartet dennoch keine
Schreckensmeldungen vom Arbeitsmarkt. „Viele Unternehmen wollen die
Arbeitsplätze erhalten, weil die Fachkräfte rar sind.“
Klar ist dennoch: 2009 wird sich die Rezession tiefer durch die
deutsche Wirtschaft fressen. Erst gerieten die Banken in Schieflage.
Dann stoppten die Unternehmen der Realwirtschaft mangels neuer Aufträge
ihre Fließbänder. Nun ist der Arbeitsmarkt dran.
Dabei gelten Umfragen wie die des IW im Vergleich zu
Konjunkturprognosen als deutlich gehaltvoller – geht es doch um
Einschätzungen aus der Praxis statt um Vorhersagemodelle von Ökonomen
aus fabrikfernen Büros. Zudem stammen die Ergebnisse von Anfang
Dezember und sind damit recht aktuell. Gleichwohl scheinen die Ahnungen
von Theoretikern und Managern einigermaßen deckungsgleich zu sein.
Beiden gemein ist aber: Erfahrungen hat niemand mit einer Situation, in
der es eine Banken- und eine Konjunkturkrise zugleich gibt und die auf
einen Schlag alle Wirtschaftsregionen der Welt erfasst.
Für das kommende Jahr bedeutet das einen Paradigmenwechsel, vor allem
auf dem Arbeitsmarkt. 2008 ging es noch um die Teilhabe am Aufschwung,
um höhere Löhne und um den Fachkräftemangel. 2009 wird ganz anders, die
Angst vor dem Abbau von Arbeitsplätzen wird das beherrschende Thema
sein. Eine Rezession von etwa zwei Prozent, wie sie viele Ökonomen
prognostizieren, hat die deutsche Wirtschaft in der jüngeren Zeit nicht
erlebt – in diesem Jahr wuchs das Bruttoinlandsprodukt noch um rund 1,5
Prozent.
Was auf die Unternehmen wirklich zukommt und was das für ihr Personal
bedeutet, kann deshalb kein Fachmann heute seriös sagen. Womöglich
werden die Betriebe es schaffen, ihr fachkundiges Personal zu halten,
damit sie im nächsten Aufschwung rechtzeitig die Produktion hochfahren
können. Womöglich aber können die Unternehmen angesichts einer
langwierigen Absatzkrise und einer zusätzlich drohenden Kreditklemme
auch schon bald einen Teil der Belegschaften nicht mehr halten. Das ist
etwa bei kleinen Betrieben mit dünner Kapitaldecke denkbar, zum
Beispiel aus dem Handwerk.
Noch arbeiten allerdings so viele Menschen wie nie zuvor. 40,84
Millionen haben derzeit einen Job. Doch der Abschwung ist bereits
spürbar. Die Zahl der Kurzarbeiter ist im November sprunghaft
angestiegen: Sie verdreifachte sich von 57 000 auf 161 000 binnen eines
Monats. Fachleute rechnen damit, dass die Zahl der Arbeitslosen
erstmals seit langem wieder gestiegen ist. Wie stark, wird die
Bundesagentur für Arbeit am 7. Januar bekannt geben. Bald schon könnte
eine Arbeitslosenquote von 7,5 Prozent, wie es sie derzeit gibt, wirken
wie aus einer fernen Zeit.