Flassbeck: Höhere Zinsen würgen den Aufschwung ab
Archivmeldung vom 08.06.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlDie Europäische Zentralbank (EZB) sollte die Leitzinsen in ihrer heutigen Sitzung nicht erhöhen, sondern auf Dauer beim Stand von 2,5 Prozent belassen. Das forderte Heiner Flassbeck, Chefökonom der UN-Handels- und Entwicklungsorganisation Unctad, im Gespräch mit dem "Tagesspiegel" (Donnerstagausgabe).
"Höhere Zinsen sind überflüssig. Eine Inflationsgefahr in Europa
besteht nicht", sagte Flassbeck, der von 1998 bis 1999 Staatssekretär
im Bundesfinanzministerium war. Zur Begründung sagte er, die
Preiseffekte durch den steigenden Ölpreis seien nur ein einmaliger
Effekt. Zudem gebe es nirgends Anzeichen dafür, dass die
Gewerkschaften zum Ausgleich für den hohen Ölpreis stärkere
Lohnerhöhungen vereinbaren. Außerdem seien die Lohnstückkosten, der
beste Frühindikator für Inflation, auf extrem niedrigem Niveau.
Sollte die EZB dennoch die Leitzinsen anheben, werde der Aufschwung abbrechen, "auch in Deutschland". Auch dauerhaftes Wachstum werde es nicht geben. Flassbeck: "Die Europäer haben noch nicht begriffen, dass die wirtschaftliche Erholung kurz- und langfristige Unterstützung braucht. Die Konjunktur muss erst auf die Beine kommen, bevor die Wirtschaft eine lange Wanderung unternehmen kann." Zudem müsse Europa eine stärkere Stütze in der Weltwirtschaft werden. "Deshalb darf Europa nicht auf die Nachfrage aus der Welt warten, sondern muss selbst welche entfalten, und zwar auf Dauer." Mit der Fiskalpolitik gehe dies nicht, also müsse die Geldpolitik einen Beitrag leisten.
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel