Negativzinsen belasten Deutschlands Sozialkassen
Archivmeldung vom 19.01.2017
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Freigeschaltet durch André OttDie extrem niedrigen Zinsen bereiten Deutschlands Sozialkassen, in die Milliarden-Beiträge der gesetzlich Versicherten fließen, immer größere Probleme. Der Gesundheitsfonds, der die Krankenversicherungsbeiträge an die Krankenkassen verteilt, musste im vergangenen Jahr bereits 5,1 Millionen Euro Negativzinsen an Banken zahlen, so das Ergebnis einer Umfrage der "Süddeutschen Zeitung".
2015 waren es nach Angaben des Bundesversicherungsamts noch 1,8 Millionen Euro an Strafzinsen. Die Rentenversicherung und die Bundesagentur für Arbeit haben 2016 für ihre Reserven gerade noch eine positive Verzinsung erreicht, schreibt die Zeitung. Die Europäische Zentralbank (EZB) erhebt seit Juni 2014 einen negativen Zins von derzeit 0,4 Prozent für Geld, das bei ihr kurzfristig geparkt wird.
Die Notenbank will so die Banken animieren, Kredite in die Wirtschaft zu pumpen, statt es bei ihr zu bunkern. Diese Negativzinsen geben die Banken an ihre Kunden weiter. Somit wird das Geschäft mit der Geldanlage auch für die Sozialkassen immer schwieriger.
Der Gesundheitsfonds legt monatlich zwischen 4,7 und neun Milliarden Euro maximal für gut zwei Wochen als Termingeld an, schreibt die SZ. Mit so kurzen Laufzeiten ließen sich aber keine positiven Erträge mehr erzielen. Etwas besser sehe es bei der Deutschen Rentenversicherung (DRV) aus, die ihre Beiträge und Steuerzuschüsse sofort an die 20,8 Millionen Rentner ausgebe, aber über eine Reserve verfüge.
Diese Rücklage belief sich Ende 2016 auf 32,4 Milliarden Euro, berichtet die Zeitung weiter. Um stets liquide zu sein, wird sie zu mehr als 90 Prozent mit einer Laufzeit von maximal zwölf Monaten sicher angelegt. Laut DRV wird jedoch bereits ein Viertel der Anlagen negativ verzinst. Insgesamt sei die Verzinsung gerade noch positiv und "knapp über null". Die Vermögenserträge bezifferte die DRV für 2015 mit nur 65.000 Euro.
"Bleibt es bei dem Zinsumfeld oder verschlechtert es sich sogar noch weiter, ist nicht auszuschließen, dass die Verzinsung insgesamt ins Negative kippt", teilte die Rentenversicherung mit. Die Bundesagentur für Arbeit, die vom deutschen Job-Boom profitiert, hatte Ende 2016 eine Rücklage von 11,5 Milliarden Euro, berichtet die SZ.
Die Verzinsung belief sich auf plus 0,052 Prozent, so wenig wie noch nie. Die Behörde schließt mittlerweile wegen der Zinspolitik der EZB "die Möglichkeit einer Negativverzinsung nicht mehr gänzlich aus". 2007 und 2008 hatte die Verzinsung noch bei gut vier Prozent gelegen. Die neuen Zahlen könnten die Diskussion über eine Senkung des Beitrags für die Arbeitslosenversicherung weiter befeuern.
Dafür hatten sich der Wirtschaftsflügel der Union und der Bund der Steuerzahler ausgesprochen. Der arbeitsmarktpolitische Sprecher der Union, Karl Schiewerling, warnt jedoch davor, die Finanzreserve durch niedrigere Beiträge "unvorsichtig aufzugeben".
Es gebe momentan, gerade auch mit Blick auf die USA und den Brexit, viele Unsicherheiten am Arbeitsmarkt und in der Wirtschaft. "Die Situation kann sich auch schnell wieder verschlechtern, und dann werden wir auf die Rücklagen angewiesen sein", sagte er.
Quelle: dts Nachrichtenagentur