Studie: Strengere Bankenregulierung zwingt Mittelstand zu alternativer Finanzierung
Archivmeldung vom 05.06.2019
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Freigeschaltet durch André OttDie Änderungen in der europäischen Bankenregulierung werden in den kommenden Jahren den Zugang von kleinen und mittelständischen Unternehmen (KMU) zu Bankkrediten erschweren. Die Finalisierung von Basel III und Umsetzung von Basel IV verteuert Finanzierungskosten in absehbarer Zeit.
Das führt zu einer restriktiveren Vergabe von Krediten durch Banken, vor allem bei kleinen und mittelständischen Unternehmen mit unterdurchschnittlicher Kreditwürdigkeit. Zu diesem Schluss kommt die aktuelle Studie des weltweit führenden Kreditversicherers Euler Hermes und TRIB Rating, dem Rating-Service von Euler Hermes Rating in Zusammenarbeit mit Moody's für europaweit einheitliche Ratings für mittelständische Unternehmen.
"Das Interesse der Banken, Kredite von Mittelständlern mit eher schlechter Bonität zu verlängern oder zu gewähren sinkt mit den neuen EU-Richtlinien zur Bankenregulierung voraussichtlich", sagt Ron van het Hof, CEO von Euler Hermes in Deutschland, Österreich und der Schweiz. "Dabei besteht bereits heute bei der europäischen Bankenfinanzierung trotz dauerhafter Niedrigzinsphase weiterhin eine Finanzierungslücke von 400 Milliarden Euro (Mrd. EUR) bei den KMU*."
Steigende Kapitalhinterlegung = steigende Finanzierungskosten Mit der strengeren Bankenregulierung steigen beispielsweise die Mindest-Kapitalanforderungen von 8% auf 10,5%. "Dies könnte zu einem Anstieg der Finanzierungskosten um schätzungsweise mehr als 100 Basispunkte führen, das ist über 1 Prozent", sagt Kai Gerdes, Direktor Analyse bei Euler Hermes Rating. "Das bringt viele dieser Unternehmen unter Zugzwang, denn europäische Mittelständler sind mit 70% besonders stark von einer Bankenfinanzierung abhängig. Alternative Finanzierungsformen gewinnen hier also deutlich an Bedeutung."
Mechanismen für leichtere Vergabe von Krediten an KMU greifen nur bei kleinen Krediten
Aktuelle Mechanismen, die die Kapitalanforderungen für Bankkredite an KMU reduzieren, wie etwa der "KMU Unterstützungsfaktor könnten die erwartete Negativentwicklung bei der Finanzierung des europäischen Mittelstands auch in Zukunft etwas abfedern - allerdings nur bei kleineren Krediten unterhalb der Grenze von 1,5 Millionen (Mio.) EUR.
"In der Eurozone insgesamt entfallen nur etwa 30% aller neu vergebenen Kredite in diese Kategorie", sagt Gerdes. "In Deutschland sind es mit 18% sogar noch deutlich weniger. In Italien (47%) und Spanien (53%) dürfte dieser Puffer hingegen etwas stärker wirken, weil die Anzahl an eher kleinen Krediten wesentlich höher ist."
Kapitalmarktunion: Viele Fortschritte, aber eigentliche Ziele längst nicht erreicht
Um eine ausreichende Finanzierung des europäischen Mittelstands zu gewährleisten hat die Europäische Kommission die Initiative "EU Capital Markets Union" (CMU) ins Leben gerufen. Bis Oktober 2019 soll diese planmäßig vollständig umgesetzt sein.
"Obwohl in einigen Bereichen deutliche Fortschritte erzielt wurden, sind die ursprünglichen Ziele der Kapitalmarktunion längst noch nicht erreicht", sagt Gerdes. "Bis Mittelständler also tatsächlich wirklich barrierefrei an Kredite kommen, dürfte noch einige Zeit ins Land ziehen - zumal das Thema bei den großen Parteien in Europa aktuell keine sonderlich hohe Priorität haben dürfte, da sie sich aktuell auf die Herausforderung konzentrieren werden, eine Koalition zu bilden**." Mittelstand: Woher mit dem Geld? Eine Alternative muss her Kleine und mittelständische Unternehmen in Europa werden sich laut Studie von Euler Hermes und TRIB Rating also zunehmend mit alternativen Finanzierungsformen auseinandersetzen müssen.
"Im Niedrigzinsumfeld wächst das Interesse von institutionellen Investoren an alternativen Investmentfonds", sagt Van het Hof. "Die direkte Kreditvergabe privater Investoren in Europa boomt in den letzten Jahren. Das könnte für Mittelständler zu einer echten Alternative werden bei der Finanzierung. Gerade KMU sind für Investoren sehr attraktiv, auch wenn sie wesentlich höhere und komplexere Kreditrisiken als multinationale Unternehmen."
Die Sparrate in Europa ist mit 12,1% weiterhin hoch, so dass etwa 860 Mrd. EUR Kapital pro Jahr zur Verfügung steht. Etwa 30% werden in Wertpapiere investiert.
"Wenn ein Viertel dieser Ersparnisse in Kreditfonds für KMU investiert würden, würde dies Kapital in Höhe von 65 Mrd. EUR pro Jahr freisetzen. Mit diesem zusätzlich verfügbaren Finanzierungsvolumen könnte ein Teil der vorhandenen Finanzierungslücke geschlossen werden."
*Eine Pressemeldung und Studie von Euler Hermes und TRIB Rating zur (Banken-) Finanzierungslücke von KMU in Europa (deutsch) finden Sie hier: http://ots.de/UtmjAL
**Eine Studie zur Europawahl und den erwarteten politischen Schwerpunkte: "European elections: What a fragmented parliament means for the EU's priorities" (ENG, PDF) finden Sie hier: http://ots.de/oZQooe
Quelle: Euler Hermes Deutschland (ots)