Analyse zum einjährigen Bestehen des Mietendeckels: Großteil der Inserate liegt weiterhin über den Obergrenzen
Archivmeldung vom 18.02.2021
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Freigeschaltet durch Sanjo BabićAm 23. Februar letzten Jahres trat das Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin, der sog. Mietendeckel, in Kraft. Zu seinem einjährigen Bestehen hat ImmoScout24 analysiert, wie sich die gesetzliche Regelung auf den Berliner Immobilienmarkt ausgewirkt hat.
Die Angebotsmieten für Mietendeckel-relevante Wohnungen sind deutlich gesunken
Die Mieten neu angebotener Bestandswohnungen, die vor 2014 fertig gestellt wurden und damit vom Mietendeckel erfasst werden, sind von 10,46 Euro pro Quadratmeter im Januar 2020 auf 9,64 Euro im Januar 2021 gesunken. Damit reduzierten sich die Angebotsmieten der auf ImmoScout24 inserierten Mietendeckel- relevanten Wohnungen um 7,8 Prozent.
Nur Kaulsdorf liegt als einziger Berliner Stadtteil mit seinen durchschnittlichen Inseratspreisen unter den erlaubten Mietobergrenzen
Im gesamten Berliner Stadtgebiet lagen im Januar 2021 nach Berechnungen von ImmoScout24 76 Prozent der neu inserierten Angebote über dem Mietendeckel. Vermieter:innen überschritten die zulässigen Obergrenzen laut den Preisangaben in den Inseraten im Durchschnitt um 2,76 Euro pro Quadratmeter. Innerhalb der Stadtteile zeigt sich ein differenzierteres Bild. Mit 27 Prozent sanken die Mieten für Mietendeckel-relevante Bestandwohnungen im Ortsteil Haselhorst von durchschnittlich 8,75 Euro pro Quadratmeter auf 6,41 Euro pro Quadratmeter (Januar 2020 zu Januar 2021) am stärksten. 32 Prozent der Anbieter:innen liegen damit weiterhin über den Grenzen des Mietendeckels, allerdings nur noch geringfügig. Im Durchschnitt verlangten sie laut Preisangabe in den Inseraten nur 11 Cent mehr, als die Obergrenzen des Mietendeckels vorgeben.
In Lankwitz und Tegel boten Anbieter:innen ihre Bestandswohnungen um jeweils 19 Prozent und in Alt-Hohenschönhausen um 18 Prozent günstiger an als im letzten Jahr. In diesen Ortsteilen liegen Vermieter:innen mit ihren angebotenen Wohnungen zwischen 48 Cent und 1,81 Euro pro Quadratmeter über den zulässigen Obergrenzen des Mietendeckels. Die Datenanalyse von ImmoScout24 zeigt weiter, dass im teuersten Stadtteil Mitte die Angebotsmieten ebenfalls um 15 Prozent sanken. Dennoch liegen 72 Prozent der neu inserierten Wohnungsangebote in Mitte mit Angebotsmieten von durchschnittlich 12,20 Euro pro Quadratmeter ebenfalls im Durchschnitt um 4,10 Euro über den Mietendeckel-konformen Oberwerten.
In einigen Stadtteilen ist das Niveau der Angebotsmieten im vergangenen Jahr sogar gestiegen. In Tempelhof um 11 Prozent, in Weißensee um rund 9 Prozent, in Wilmersdorf um etwa 3 Prozent und in Siemensstadt um rund 2 Prozent. Damit liegen die Angebotsmieten in diesen Stadtteilen zwischen 2,83 bis 4,17 Euro pro Quadratmeter über dem zulässigen Mietniveau. Nur in Kaulsdorf liegt das durchschnittliche Niveau der Mietangebote in einer Höhe, die nach der gesetzlichen Regelung erlaubt ist (0,09 Euro pro Quadratmeter unter den Obergrenzen). In Wilmersdorf lagen 93 Prozent, in Tempelhof 90 Prozent und in Kreuzberg 87 Prozent der neu inserierten Angebote auf dem führenden Immobilien-Marktplatz über dem Mietendeckel. "Viele Vermieter:innen halten sich an die erlaubten Obergrenzen des Mietendeckels. Aber es gibt noch viele Bestandswohnungen, die unter den Mietendeckel fallen, und dennoch über den erlaubten Mietgrenzen angeboten werden", sagt Dr. Thomas Schroeter, Geschäftsführer von ImmoScout24.
Berliner Phänomen: Das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen verringert sich weiter - in anderen Metropolstädten erhöhte es sich
In Berlin hat sich das Angebot an inserierten Mietwohnungen auf ImmoScout24 im letzten Jahr um 19 Prozent reduziert (von Januar 2020 zu Januar 2021). Im Mietendeckel-relevanten Segment ging das Angebot mit 30 Prozent im selben Zeitraum noch deutlicher zurück. Dabei wurden nur die neu inserierten Mietwohnungen betrachtet. In anderen Metropolstädten hat sich das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen im gleichen Zeitraum zwischen 11 und 66 Prozent deutlich erhöht (Stuttgart +66%, Frankfurt +38%, München +35%, Düsseldorf +25%, Köln +11%). In Hamburg sank das Angebot an neu inserierten Mietwohnungen hingegen leicht um 0,4 Prozent (von Dezember 2020 zu 2021 allerdings noch +10,5 Prozent). Trotz des gesunkenen Angebots an neu inserierten Mietwohnungen in Berlin ist ImmoScout24 nach wie vor das Immobilienportal mit dem größten Wohnungsangebot in Berlin und deutschlandweit. Der aktuelle Inseratsbestand liegt jeweils mehr als doppelt so hoch wie beim nächstgrößeren Wettbewerber.
Berliner Wohnungssuche ist schwerer denn je: Auf ein Objekt kommen immer mehr Interessenten
Es kommen immer mehr Suchende auf eine Mietendeckel-relevante Wohnung. Innerhalb eines Jahres stieg die Anzahl der Interessenten pro Objekt von durchschnittlich 128 im Januar 2020 auf 214 im Januar 2021. Damit erhöhte sich das Kontaktaufkommen pro Inserat um 67 Prozent. Auch in absoluten Werten ist die Nachfrage in Form von Kontaktanfragen innerhalb dieses Zeitraums um 17 Prozent angestiegen.
Durchschnittlich 417 Bewerber:innen kämpfen in Britz um eine Wohnung. Doch auch im Wedding kommen im Durchschnitt 407 Anfragen auf eine neu angebotene Bestandswohnung, in Lankwitz sind es 386, in Neukölln 379 und in Kreuzberg 321. In der Rangliste der nachgefragtesten Stadtteile von ImmoScout24 folgen Tiergarten mit durchschnittlich 282 Bewerber:innen, Tempelhof mit 280 und Siemensstadt mit 273 Suchenden pro inserierter Bestands-Mietwohnung, die unter den Mietendeckel fällt.
"Auf dem Papier können sich durch die Mietreduzierung tendenziell Menschen mit geringerem Einkommen wieder eher eine Wohnung in begehrten Lagen leisten, als dies vor dem Mietendeckel der Fall war. Aber die reale Nachfragesituation in Berlin ist weiterhin dramatisch. Die anhaltend hohe Zahl der Immobiliensuchenden konkurriert um ein deutlich reduziertes Angebot", sagt Dr. Thomas Schroeter.
Während sich das Angebot von Mietwohnungen in der Hauptstadt deutlich reduziert hat, ist das Angebot von Eigentumswohnungen auf ImmoScout24 von Januar 2020 bis Januar 2021 um 19 Prozent angestiegen. Dies gilt sowohl für vermietete wie unvermietete Eigentumswohnungen. Ihr Verhältnis zueinander hat sich dabei nicht signifikant verändert.
Rechtsunsicherheit: Ein kleiner Teil der Vermieter:innen versucht, den Mietendeckel zu umgehen
Innerhalb eines Jahres wurden in den Mietendeckel-relevanten Inseraten deutlich häufiger Wörter wie Abschlag und Nutzungsentgelt genannt. Doch die Datenanalyse zeigt auch, dass dies nur für 3,1 Prozent der Inserate der Fall ist. Ein kleiner Teil der Vermieter:innen versucht offensichtlich auf diese Weise, den Mietendeckel zu umgehen.
"Der Mietendeckel hat zu einer großen Rechtsunsicherheit für Vermieter:innen und Mieter:innen geführt und belastet deren Verhältnis. Darüber hinaus stellen Vermieter:innen als Folge des Mietendeckels Gebäudeinvestitionen zurück, um Kosten durch entgangene Mieteinnahmen zu reduzieren. Das verschlechtert auf Dauer den Berliner Wohnungsbestand und belastet Fortschritte in der energetischen Nachhaltigkeit. Berlin braucht daher dringend Rechtssicherheit durch die bald erwartete Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts", sagt Dr. Thomas Schroeter.
Methodik
Für die Mietendeckel-Analyse von ImmoScout24 wurden alle neu eingestellten Inserate des letzten Jahres berücksichtigt. Jedes Inserat floss auf diese Weise nur einmal in die Analyse ein, sodass diese Berechnungsmethodik eine valide Aussage über die Marktentwicklungen in Berlin gewährleistet. Mehr als 10.300 neue monatliche Inserate in Berlin wurden für die Vorjahresvergleichszahlen analysiert. Für die gesamte Analyse wurden Durchschnittswerte berechnet und um Ausreißer-Werte bereinigt. Für ein vollumfängliches Abbild des Marktgeschehens flossen in die Datenerhebung Inserate privater wie städtischer Wohnungsgesellschaften in erheblichem Umfang ein. Allein für Berlin und Umland haben die großen Mitgliedsunternehmen des BBU seit Anfang 2017 über 115.000 Wohnungsinserate bei ImmoScout24 veröffentlicht. Die Anzahl der Inserate von größeren städtischen Wohnungsgesellschaften lag in diesem Zeitraum bei rund 45.000. Seit Anfang 2019 haben sich die Inserate der größeren BBU-Unternehmen bei ImmoScout24 um 75 Prozent erhöht - ohne die beiden größten privatwirtschaftlichen Wohnungsunternehmen Vonovia und Deutsche Wohnen sogar um 152 Prozent.
Quelle: ImmoScout24 (ots)