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Unternehmer fordern Schritte gegen den Patentmissbrauch

Archivmeldung vom 11.02.2008

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 11.02.2008 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Nachbesserungen und Mitsprache des Mittelstands bei der Reform des EU-Patentsystems hat der Präsident des Bundesverbandes mittelständische Wirtschaft (BVMW), Mario Ohoven gefordert. "Es droht ein Missbrauch des Patentsystems mit massiven Wettbewerbsnachteilen für Klein- und Mittelbetriebe." Ohoven steht zugleich dem europäischen Mittelstands-Dachverband CEA-PME vor.

Über den Stand der geplanten EU-Patentreform informierten sich jetzt mittelständische Unternehmer und Vertreter von Interessenverbänden auf der Hamburger Veranstaltung "Patentsystem Quo Vadis?". Dr. Jens Gaster, in der EU-Kommission zuständig für Patentpolitik, stellte sich der Diskussion über Reform-Initiativen, die Mängel im derzeitigen Patentsystem beheben sollen.

Es sei schwierig, überhaupt Patentreformen in der EU durchzusetzen, vor allem wegen Interessenkonflikten zwischen den Mitgliedsstaaten und Kräften, die sich einer Zentralisierung und Vereinheitlichung des Patentwesens widersetzen, so Dr. Gaster. Noch in diesem Jahr wollen EU-Kommission und Mitgliedsstaaten ein Reformpaket zur EU-Gerichtsbarkeit und für das seit Jahren umstrittene Gemeinschaftspatent auf den Weg bringen. Auch eine Konsultation über Immaterialgüterrechte,  die sich mit Fragen des materiellen Patentrechts sowie der Qualität erteilter Patente befassen soll, sei für 2008 in Vorbereitung.

Veranstalter und Teilnehmer der Tagung begrüßten die Pläne der EU-Kommission, im Rahmen dieser Konsultation Meinungen zur Verbesserung der Patentqualität einzuholen. Es wurde allerdings auch die Erwartung an die Kommission und die Bundesregierung deutlich, die mittelständische Wirtschaft zu den Entwürfen für die geplante EU-Patentgerichtsbarkeit zu konsultieren.

Andreas Feike, BVMW Hamburg, hob hervor, dass bei allen Reformplänen die Balance zwischen Interessen der Allgemeinheit und von Patentinhabern gewahrt bleiben und insgesamt ein fairer Wettbewerb gewährleistet sein müsse. Als Beispiel für Missbrauch des Patentrechts verwies er auf die aktuelle Milliardenklage gegen Nokia, durch die der Patentverwerter IP-Com hunderte im Markt aufgekaufte Patente vergolden wolle.

Laut Dr. Heiner Flocke von patentverein.de (Industrie-Fachverband Motor, Sensor, Automation) erleichtert das heutige Patentsystem mit seiner Trennung zwischen Patentverletzungs- und Einspruchsverfahren den Missbrauch von Patenten als Waffe gegen Wettbewerber: "Aufgrund dieser inhaltlichen wie zeitlichen Trennung sind Unternehmen, über deren Einspruch gegen ein Patent noch nicht entschieden wurde, häufig mit einer stattgegebenen Verletzungsklage bezüglich genau dieses Patentes konfrontiert." Er kritisierte die massiven wirtschaftlichen Schäden für Unternehmen, die auch durch einen späteren Widerruf des Patents nicht wieder gut zu machen seien.

Für den BVSI (Berufsverband Selbständige in der Informatik e.V.) forderte dessen Vorsitzender Dr. Dirk Bisping ein Patentrechtssystem, welches die Interessen von kleinen und mittelständischen Firmen mindestens im gleichen Maße berücksichtigt, wie die der großen Unternehmen und Patentverwerter.

Dass diese Forderung nicht erfüllt sei, betonte Johannes Sommer, Sprecher für patentfrei.de, einer Initiative für den Schutz vor Patenten im Softwarebereich, die Interessen kleiner und mittelständischer deutscher Unternehmen vertritt: "Softwarepatente untergraben die mit Software-Entwicklung verbundenen Verwertungsansprüche nach dem Urheberrecht. Die aktuellen Reformpläne für die Patentgerichtsbarkeit bergen die Gefahr, die gerichtliche Durchsetzbarkeit zigtausender hoch umstrittener Softwarepatente zu ermöglichen - letztinstanzlich  und europaweit." Nach Auffassung Sommers stehen EU-Kommission und Bundesjustizministerium in der Pflicht,  eine breite Diskussion im Rahmen schriftlicher Konsultationen und öffentlicher Anhörungen anzustrengen.

Auch Dr. Ingrid Schneider, Politikwissenschaftlerin an der Universität Hamburg, kritisierte die Ausweitung des Patentrechts in Europa und forderte Grenzen für die Patentierbarkeit. Weil die derzeit diskutierten, institutionellen Verfahrensfragen zur EU-Patentgerichtsbarkeit die Auslegungen des materiellen Patentrechts mit bestimmen, sei es nötig, bei jeder regulativen Neuordnung neben juristischen und technischen Aspekten auch ökonomische und ethische Gesichtspunkte zu berücksichtigen.

Der Kieler Rechtsanwalt und Patentanwalt Dr. Jan Tönnies plädierte ebenfalls für eine Beschränkung des Patentrechts auf das ökonomisch Vernünftige: "Die Zunahme von Patentanmeldungen als Zeichen für innovativen Fortschritt zu sehen, ist so sinnvoll, wie die Zunahme der Inanspruchnahme von Gefängnissen als Erfolg der Kriminalitätsbekämpfung aufzufassen. Leider gibt es heute einen zunehmenden Missbrauch des Patentrechts, der Innovation hemmende Folgen hat. Durch Reformen muss die tatsächliche Förderung von Innovationen wieder zur Geltung kommen."

Quelle: BVMW

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