Kartellamt: Quersubventionierung bei den Energiekonzernen muss abgestellt werden
Archivmeldung vom 15.01.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDer Präsident des Bundeskartellamts Ulf Böge sieht als großes Wettbewerbshindernis auf dem Strom- und Gasmarkt die Quersubventionierung innerhalb der Konzerne. "Die Möglichkeit muss unbedingt beseitigt werden", sagte er dem "Tagesspiegel".
Heute könnten noch die integrierten Unternehmen die
Netznutzung so verteuern, dass sich für Dritte die Nutzung nicht
lohnt. "Diese Diskriminierung über die Quersubventionierung konnte
weder durch die buchhalterische Trennung der Netze noch durch die
gesellschaftsrechtliche Trennung beseitigt werden", kritisierte Böge.
Dass die Bundesnetzagentur in vielen Fällen im Strombereich eine
Absenkung der Nutzungsgebühren erzwungen habe, sei "ein deutliches
Zeichen dafür, dass hier jahrelang eine Diskriminierung der
Wettbewerber statt gefunden hat". Deshalb müsse dafür gesorgt werden,
dass die Netzbetreiber "wirtschaftlich eigenverantwortlich" arbeiten.
Deshalb müssten die Konzerne aber noch nicht - wie von der
EU-Kommission gefordert - das Eigentum an den Netzen abgeben. "In der
reinen Theorie wäre die Abtrennung der Netze ohne Zweifel die beste
wettbewerbliche Lösung", sagte Böge. Man müsse aber mit langjährigen
Prozessen rechnen, die dem Wettbewerb nichts brächten. Eine Kontrolle
der Netzinhaber durch die Behörden werde in jedem Fall auch in
Zukunft bleiben, sagte Böge. Selbst bei einer eigentumsrechtlichen
Trennung bleibe der Netzinhaber ein Monopolist - "und wir müssen
aufpassen, dass er nicht unberechtigte Preise fordert. Diese
Missbrauchsaufsicht wird bleiben, so oder so."
Kartellamtspräsident Böge sieht außerdem die Stadtwerke in der
Pflicht, für mehr Wettbewerb beim Gas zu sorgen. Zum einen müssten
die Bundesländer durchsetzen, dass die Kommunen ihren Stadtwerken
erlauben, auch außerhalb ihrer Gebiete tätig zu werden. Dies werde
noch häufig durch die Gemeindeordnungen verboten. "Auch dies ist ein
Wettbewerbshindernis. Das müssen die Bundesländer ändern, um den
Wettbewerb in Schwung zu bringen", sagte Böge. Die Betriebe selber
müssten aber zum anderen ihre neuen Möglichkeiten wahrnehmen und um
bessere Einkaufskonditionen kämpfen, nachdem das Kartellamt untersagt
hat, dass die Ferngaslieferanten Stadtwerke langfristig an sich
binden. "Bei Missbrauchsverfahren werden wir künftig nicht mehr den
Hinweis akzeptieren, man habe nur zu hohen Konditionen einkaufen
können", warnte Böge.
Böge stellte sich hinter die Pläne von Wirtschaftsminister Michael Glos, das Wettbewerbsrecht zu ändern. Auch wenn die Industrie das Gegenteil behaupte, gehe es dabei nicht um Preiskontrolle. "Es geht darum, in Verfahren missbräuchliches Verhalten der Energiekonzerne schneller abstellen zu können", sagte Böge. "Wenn wir sechs, sieben Jahre prozessieren, freuen sich nur die Konzerne."
Quelle: Pressemitteilung Der Tagesspiegel