Springer riskiert Geld und Ruf
Archivmeldung vom 06.08.2005
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittKommentar zur mehrheitlichen Übernahme des größten deutschen TV-Konzerns ProSiebenSat.1 durch Deutschlands größtes Verlagshaus Axel Springer von Ulli Gericke. Der Preis ist heiß. 2,47 Mrd. Euro zahlt Deutschlands größtes Verlagshaus Axel Springer für die mehrheitliche Übernahme des TV- Senders ProSiebenSat.1 an die bisherigen Stammaktionäre, die US- Finanzinvestoren um Haim Saban.
Zudem werden
rund 400 Mill. Euro Finanzschulden der Fernsehgruppe übernommen.
Würden auch noch alle Kleinaktionäre des Münchener Senders ihre
Vorzugsaktien den Berlinern zum Spottpreis von 14,10 Euro andienen,
würden weitere knapp 1,2 Mrd. Euro fällig. Dagegen verblassen die
üblichen Transaktionskosten von weiteren 200 bis 300 Mill. Euro.
Summa summarum kostet Springer die TV-Übernahme 4,3 Mrd. Euro – was
nur dadurch begrenzt wird, dass die Sat.1-Vorzugsaktien in neu zu
schaffende Springer-Vorzüge gewandelt werden sollen. In
stimmrechtslose Scheine, die die Aktienmehrheit der Verlagserbin
Friede Springer nicht gefährden.
Die Gewinner bei diesem Deal sind zweifellos die bisher bei Sat.1
engagierten Finanzinvestoren. Binnen gut zwei Jahren vervielfachten
sie ihren etwa 750 Mill. schweren Einsatz auf gut 1,7 Mrd. Euro. Ob
der Springer-Verlag mit dem Kauf der Sendergruppe eine ähnliche
Erfolgsstory schreiben kann, steht dahin – aller bekundeten
Zuversicht zum Trotz. Denn wenn auch richtig ist, dass der Einstieg
ins TV-Geschäft die bisherige Beschränkung auf umfangreiche
Printaktivitäten beendet und der Verlag damit künftig breiter und
somit sicherer aufgestellt ist, so wächst umgekehrt doch das Gewicht
des deutschen Marktes. Der bekanntlich seit langem schwächelt, was
sich sowohl beim Verkauf von Zeitungen und Zeitschriften zeigt als
auch beim anhaltend rückläufigen Anzeigengeschäft.
Das Risiko steigt
also mit den teuer zugekauften Sendern.
Dagegen steht das beständig wiederholte Credo von Springer-Chef
Mathias Döpfner: „Besser kein Deal als ein zu teurer.“ Doch nachdem
erhoffte Auslandsakquisitionen nicht zustande kamen, hat die
bisherige Sparsamkeit offensichtlich ein Ende – zumal schon
Verlagsgründer Axel Springer vom Erwerb eines TV-Senders träumte.
Kein Zweifel, das erprobte „Sparen wie die Kleinkrämer“, dessen sich
Döpfner unlängst rühmte, wird nach dem teuren Sat.1-Kauf drängender
denn je, um die hochschnellende Verschuldung des Konzerns zu
begrenzen. Für die journalistische Qualität der Zeitungen und TV-
Stationen lässt dies Böses ahnen.
Quelle: Pressemitteilung Börsen-Zeitung