Top-Ökonomen fürchten Folgen hoher Ausländerfeindlichkeit im Osten
Archivmeldung vom 29.12.2017
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittEine von der Amadeu Antonio Stiftung und Pro Asyl veröffentlichte Statistik, die Ostdeutschland als Spitzenreiter bei Straftaten gegen Flüchtlinge ausweist, alarmiert führende Ökonomen in Deutschland. "Gewalt und ein fremdenfeindliches Image haben negative Effekte auf die wirtschaftlichen Perspektiven, unter anderem weil Investoren dadurch abgeschreckt werden und weil qualifiziertes Personal dann schwerer zu gewinnen ist", sagte der Vizepräsident des Instituts für Wirtschaftsforschung Halle (IWH), Oliver Holtemöller, dem "Handelsblatt". "Dies kann insbesondere in Regionen mit ohnehin schrumpfender Bevölkerung problematisch werden."
Auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), Marcel Fratzscher, zeigte sich besorgt. "Die Ausländerfeindlichkeit schadet vor allem Ostdeutschland, das als Wirtschaftsstandort attraktiver werden muss um nicht weiter abgehängt zu werden", sagte Fratzscher der Zeitung. "Nicht nur gut qualifizierte Zuwanderer, sondern zunehmend auch gut qualifizierte, junge Deutsche kehren vielen Regionen Ostdeutschlands den Rücken - auch wegen der mangelnden Offenheit und der Ausländerfeindlichkeit."
Der Direktor des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW), Michael Hüther, gab zu bedenken, dass es für Investoren schon heute "keine attraktive Aussicht" sei, dass die neuen Bundesländer unter demografischen Gesichtspunkten vor allem im MINT-Bereich (Mathematik, Informatik, Naturwissenschaft, Technik) unter einer stärkeren Alterung bei gleichzeitig weniger Arbeitskräften mit Migrationshintergrund litten. "Wenn sich dann noch der Eindruck verfestigt, dass hier Ausländer gefährdeter sind, dann ergibt sich eine besondere Standortbelastung", sagte Hüther der Zeitung. "Die Gewalttäter sägen an dem Ast ökonomischer Kräftigung und bereiten damit den Grund mit für ein sich verfestigendes Ungleichgewicht zwischen Ost und West." Hüther riet den ostdeutschen Landesregierungen zu einer "Doppelstrategie aus öffentlicher Sicherheit und Willkommenskultur".
Die "verdrängten Identitätssorgen" der Bürger seien ernst zu nehmen, um die Perspektiven auf Zuwanderung und Integration stärken zu können. Fratzscher forderte, die Politik müsse Gewalt gegen Geflüchtete in Deutschland "endlich ernster nehmen". Der DIW-Chef sagte zugleich, dass Gewalt gegen Geflüchtete nicht mehr, aber auch nicht minder falsch sei als Gewalt, die von Geflüchteten ausgehe. "Es darf nicht mit zweierlei Maß gemessen werden und der Staat muss Gewalttaten gleich ernst nehmen und bekämpfen, unabhängig von wem sie ausgeht", so Fratzscher.
Nach der am Donnerstag veröffentlichten gemeinsamen Statistik der Amadeu Antonio Stiftung und von Pro Asyl ist die Zahl der Straftaten gegen Flüchtlinge im laufenden Jahr zwar deutlich zurückgegangen. Allerdings hat das Problem rassistischer Gewalt gegen Asylsuchende laut der Erhebung einen deutlichen Schwerpunkt in den neuen Bundesländern.
Quelle: dts Nachrichtenagentur