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Gasstreit: Nun auch Deutschland betroffen

Archivmeldung vom 06.01.2009

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Oliver Randak

Nach Angaben der Firma Wingas treten seit dem Vormittag Schwankungen in der Versorgung mit Gas aus der Ukraine auf. Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg sagte: "Aber unsere Möglichkeiten stoßen an ihre Grenzen, wenn diese drastischen Lieferkürzungen anhalten [...]."

Deutschlands wichtigster Gas-Importeur E.on Ruhrgas sieht wegen des Gasstreits „massive“ Einschränkungen bei der deutschen Gasversorgung aus Russland. Es sei damit zu rechnen, dass am zentralen Gasübergabepunkt, der deutschen Grenzstation Waidhaus (Bayern), im Laufe des Dienstags die über die Ukraine transportierten Gasmengen vollständig ausfielen.

Derzeit sei die Versorgung dank anderer Lieferanten und einsatzbereiter Erdgasspeicher sichergestellt. „Aber unsere Möglichkeiten stoßen an ihre Grenzen, wenn diese drastischen Lieferkürzungen anhalten und die Temperaturen weiterhin auf sehr niedrigem Niveau bleiben“, sagte Ruhrgas-Chef Bernhard Reutersberg.

E.on Ruhrgas bezieht nach Unternehmensangaben 26 Prozent seines Gases aus Russland. Weitere Lieferanten sind Norwegen, die Niederlande sowie einheimische Quellen. Die Vorräte in den deutschen Gasspeichern belaufen sich auf rund ein Viertel des Gasverbrauchs im Jahr 2007. Reutersberg forderte die streitenden Parteien Russland und die Ukraine auf, schnell wieder Verhandlungen aufzunehmen.

Ein Sprecher des großen Gasimporteurs Wingas sagte, seit dem Morgen gebe es die ersten Druckabfälle auf der über die Ukraine verlaufenden Gasliefer-Route. Wie groß die Ausfälle sind, sei derzeit nicht zu beziffern. Das Unternehmen ist nach eigenen Angaben hinter E.on-Ruhrgas der zweitgrößte Importeur von russischem Gas. Es gebe jedoch keine Auswirkungen für Wingas-Kunden in Deutschland, da der Großteil des aus Russland importierten Gases über die nördliche durch Weißrussland und Polen führende Pipeline nach Deutschland komme.

"Die Lage ist nicht problematisch“, sagte Aribert Peters, Vorsitzender des Bunds der Energieverbraucher, zu WELT ONLINE. Laut der Verbraucherorganisation reichen die Erdgasreserven in Deutschland in der Heizperiode für zwei bis drei Monate. "Kein Grund zur Panik“, meint Peters.

Die Erdgasunternehmen in Deutschland haben sich gegen Störungen der Versorgung abgesichert und halten nach Angaben des Außenhandelsverbandes für Mineralöl und Energie Speicherkapazitäten für rund 40 Wintertage vor. Aufbewahrt wird das Gas unter anderem in 46 Untertage-Gasspeichern. Sie sind den Angaben zufolge gut gefüllt. Wingas beispielsweise verfügt im norddeutschen Rehden über den größten Erdgasspeicher Westeuropas.

Die Europäische Union protestierte gegen die jüngsten Lieferausfälle. Ohne vorherige Warnung und in klarem Widerspruch zu den Versicherungen der höchsten russischen und ukrainischen Stellen seien die Gas-Lieferungen an einige EU-Mitgliedstaaten wesentlich verringert worden.

Nach dem Protest kündigte die ukrainische Gasgesellschaft Naftogaz an, die Gespräche mit Russland wiederaufzunehmen. Die Ukraine streitet mit Russland um die Gaspreise. Die russische Gazprom stellte daher die Versorgung der Ukraine zum 1. Januar ein, sicherte Europa aber eine weitere Durchleitung zu.

Russland wirft der Ukraine vor, illegal Gas aus den Transitleitungen für den eigenen Gebrauch abzuzweigen. Nun reist der Chef der Naftogaz am 8. Januar nach Moskau. Die tschechische EU-Ratspräsidentschaft erwägt ein Gipfeltreffen mit Russland und der Ukraine zur Lösung des Gasstreits. Gemeinsam mit EU-Kommissionspräsident José Manuel Barroso werde über die Einberufung eines Gipfels nachgedacht, sagte Tschechiens Regierungschef und EU-Ratspräsident Mirek Topolanek in Prag.

Russisches Gas

Rund ein Viertel des EU-weiten Erdgasverbrauchs wird nach Kommissionsangaben mit Importen aus Russland gedeckt. In einzelnen EU-Staaten liegt dieser Anteil aber deutlich höher, in Deutschland etwa bei rund 35 Prozent.

Der russische Energiekonzern Gazprom ist der weltgrößte Erdgasförderer. 1992 wurde der Staatskonzern in eine Aktiengesellschaft umgewandelt. Der russische Staat besitzt mehr als 50 Prozent der Aktien. 6,4 Prozent der Anteile hält der deutsche Energiekonzern E.on.

Wegen des Totalausfalls der russischen Gaslieferungen hat die bulgarische Regierung die Bevölkerung aufgefordert, mit Gas betriebene Zentralheizungen weniger zu benutzen. Die Verbraucher sollten vielmehr auf andere Heizmethoden ausweichen, erklärte das Wirtschaftsministerium. Die Industrie solle ihrerseits auf andere Kraftstoffe wie Öl zurückgreifen.

Regierungschef Sergej Stanischew berief eine Dringlichkeitssitzung ein, um über die Krise zu beraten. Bei klirrender Kälte war am 6. Januar kein russisches Gas mehr in Bulgarien angekommen, das praktisch ganz auf die Versorgung aus Russland angewiesen ist.

Anders als beispielsweise die Türkei hat Bulgarien keinen Zugang zu anderen Gasleitungen und musste eigene Reserven anzapfen. „Wir sind in einer Krisensituation“, erklärte das bulgarische Wirtschaftsministerium.

Neben Deutschland, Bulgarien und der Türkei bekamen auch Österreich, Tschechien, Griechenland, Mazedonien, Rumänien, Bosnien und Kroatien Ausfälle bei den russischen Gaslieferungen zu spüren. Österreich musste nach eigenen Angaben bereits die Notvorräte anzapfen. Die Kunden würden nun mit Gas aus Reserven beliefert, teilte die Öl- und Gasgesellschaft OMV mit.

Rumänien meldete Energieengpässe. Über die Lieferstation in der Stadt Isaccea komme zwar kein russisches Gas mehr, meldet die rumänische Gasverteilerfirma Transgaz. Doch der rumänische Premier Emil Boc gibt Entwarnung: „Kein Rumäne wird unter dem Lieferstopp leiden.“ Rumänien habe noch genügend Reserven und fördere selbst Gas, sage der Premier. Außerdem sei eine zweite Pipeline aus Russland nicht betroffen.


Die Verschärfung des Gasstreits zwischen Russland und der Ukraine sowie die Eskalation der Gewalt im Nahen Osten treiben auch den Ölpreis. Der Preis für ein Fass (159 Liter) der US-Sorte West Texas Intermediate (WTI) zur Auslieferung im Februar kletterte zeitweise bis auf 50,04 Dollar und damit auf den höchsten Stand seit Mitte Dezember 2008.

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