Ökonom und Bestsellerautor Jeremy Rifkin zur Hypothekenkrise: "Das ist erst der Anfang der Krise."
Archivmeldung vom 23.08.2007
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Freigeschaltet durch Thorsten SchmittAmerikas prominentester Wirtschaftskritiker Jeremy Rifkin erwartet eine Ausweitung der gegenwärtigen Finanzmarkt-Turbulenzen auf die Weltwirtschaft. "Wir stehen vor einer verdammt harten Landung. Das ist erst der Anfang der Krise", sagt der Ökonom Rifkin im Interview mit VANITY FAIR über die amerikanische Hypothekenkrise.
Faule Hypothekenkredite in den USA haben in den letzten Wochen zu
weltweiten Kursstürzen an den Börsen geführt. Rifkin hält es aber für
unwahrscheinlich, dass die Krise auf den Sektor der
Immobilienfinanzierung beschränkt bleibt. "Der Immobilienmarkt ist
der Schlüsselsektor der amerikanischen Wirtschaft. Das gesamte
Wachstum der letzten Jahre baute darauf auf. Und das fliegt jetzt
alles auseinander. Wir wissen nur noch nicht, wie weit es abwärts
geht", so Rifkin.
"Der Boom hatte von Anfang an keine Substanz." Die
billigen Kredite der 90er-Jahre hätten sich vor allem auf Immobilien
erstreckt. "Dass irgendwann auch die Zinsen der Hypotheken steigen,
hat niemand bedacht. Jetzt bricht diese Illusion zusammen. Wir haben
die Ersparnisse einer ganzen Generation verheizt."
Als Gewinner des Booms und zukünftige Wirtschaftsmacht sieht
Rifkin anders als viele Experten nicht Asien, denn "gerade die
Tigerstaaten, vor allem die Metropolen wie Shanghai und Bombay machen
einen sehr amerikanischen Fehler." Sie würden die Bevölkerung nicht
am Boom teilhaben lassen. Ganz anders würden dagegen die Europäer
handeln: "Sie lassen Initiative zu und teilen sich die Risiken. Sie
sind kooperativer. Das ist die Zukunft. Mit diesem Denken ist Europa
weiter als Amerika", so der Ökonom.
Sich auf diese europäische Tugend zu besinnen, riet Rifkin auch der Bundeskanzlerin: "Als mich Angela Merkel nach ihrer Wahl zu sich einlud, habe ich ihr gesagt: Wenn das nächste Mal amerikanische Neoliberale kommen und Euch fertigmachen, weil ihr nicht risikofreudig seid, dann fragt sie mal, wieso 80 Millionen Deutsche mehr exportieren als 300 Millionen Amerikaner."
Quelle: Pressemitteilung VANITY FAIR