Rosenthal steht vor einem Scherbenhaufen
Archivmeldung vom 06.01.2009
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 06.01.2009 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Oliver RandakDie irische Mutter des Porzellanherstellers Rosenthal ist pleite. Die Zukunft der Tochter ist ungewiss.
Maria und Thomas geht es an den Kragen. Genauso wie ihrer Mutter
Rosenthal. Der oberfränkische Hersteller von Porzellanserien und
-marken mit klassischen Vornamen steht schon länger unter Druck. Jetzt
gab auch noch der Eigner, die irische Waterford Wedgwood, seine Pleite
bekannt. Für das Geschäft in Irland und Großbritannien wurde am Montag
ein Insolvenzverwalter benannt, die Aktien des Konzerns an der irischen
Börse wurden vom Handel ausgesetzt. Der Rosenthal-Vorstand arbeite
daran, gemeinsam mit dem Insolvenzverwalter von Waterford Wedgwood die
eigene Zukunft zu sichern, sagte eine Firmensprecherin auf Anfrage. Bis
dahin laufe das Geschäft normal weiter.
Die aktuelle Entwicklung bei Waterford Wedgwood dürfte im Hause
Rosenthal dennoch für Unruhe sorgen, aber nicht nur dort. Seit Jahren
nämlich macht den meisten Fabrikanten feiner Tafelservice die
Billigkonkurrenz aus Osteuropa und Asien zu schaffen, die bei Ikea und
Co. in Massen verkauft wird. Daneben verschwindet teures Porzellan
zusehends von Gabentischen zur Hochzeit – und mit ihm auch ein Stück
deutscher Kultur. Die aktuelle Wirtschaftskrise und die damit
verbundene Konsumschwäche verschärfen den Druck. „Es ist eine
schwierige Phase. Luxusgüter sind derzeit einfach weniger gefragt“,
zitiert das „Handelsblatt“ Branchenkreise.
Wie ernst die Lage ist, zeigen erste Pleiten – auch in Deutschland. Im
vergangenen September etwa traf es die Porzellan-Manufaktur in
Ludwigsburg, die mehrheitlich zum Luxuskonzern Egana Goldpfeil gehörte.
Kurz nachdem die Mutter pleitegegangen war, musste das Ludwigsburger
Unternehmen Insolvenz anmelden. Wenige Wochen später musste auch die
Porzellanmanufaktur Goebel im oberfränkischen Rödental die Herstellung
ihrer berühmten Hummel-Kinderfiguren einstellen. Mit dem Aus für die
Figuren verloren damals 230 der insgesamt 340 Beschäftigten von Goebel
ihren Job.
Auch Villeroy & Boch, einer der größten deutschen Hersteller von
Tischkultur, spürt den Nachfragerückgang immer deutlicher, wie eine
Sprecherin erklärte. Deshalb seien die Betriebsferien um Weihnachten
bereits verlängert worden, um nicht auf Halde zu produzieren. Weitere
Maßnahmen seien derzeit nicht geplant.
Beim Bundesverband für den gedeckten Tisch, Hausrat und Wohnkultur will
man von einer Krise jedoch nichts wissen. Im vergangenen Jahr habe es
lediglich einen geringen Absatzrückgang von drei Prozent gegeben, sagte
der Verbandsvorsitzende Carl Reckers dem Tagesspiegel. Diese Größe sei
„marktkonform und kein Indikator für schlechte Zeiten“.
Die Königliche Porzellan Manufaktur (KPM) in Berlin dagegen konnte sich
bisher gegen den Trend stemmen, wie Inhaber Jörg Woltmann berichtet.
Bislang habe das Unternehmen keinen Nachfragerückgang zu verzeichnen.
„Auch in Krisenzeiten versuchen die Menschen in bleibende Werte zu
investieren“, sagt Woltmann. Für die Zukunft ist er daher auch
zuversichtlich: „Für hochwertige Luxus-Produkte bleibt die Nachfrage
ohnehin relativ konstant.“
Branchenkennern zufolge liegt das Problem der kriselnden
Porzellanhersteller ohnehin bei den Unternehmen selbst. Viele
Manufakturen hätten ihr Geschäft in den vergangenen Jahren nicht neu
strukturiert und einfach so weitergemacht wie vorher. Dies werde ihnen
nun zum Verhängnis.
Ob Rosenthal mit seinen rund 1600 Mitarbeitern dazu gehört, will
niemand offen sagen. Sicher ist zumindest, dass das Unternehmen in den
vergangenen Jahren immer herbere Rückschläge erlitten hat. So hatte es
zuletzt einen operativen Verlust von 7,2 Millionen Euro gemacht.
Waterford Wedgwood ist daher seit Mitte 2008 auf der Suche nach einem
Käufer seines 90,7-Prozent-Anteils an Rosenthal. Bislang ohne Erfolg.
„Die Gespräche mit einem potenten Investor über den Verkauf von
Rosenthal befinden sich in einem fortgeschrittenen Zustand und werden
weiter geführt“, teilte Rosenthal am Montag mit. Sollte der Verkauf
misslingen, könnte dies für das Ende des 19. Jahrhunderts von Philipp
Rosenthal gegründete Unternehmen das Ende bedeuten – damit würde ein
weiteres Stück deutscher Tischkultur verloren gehen.