Arbeitgeber und Gewerkschaften gegen automatisches Inflationsplus
Archivmeldung vom 06.09.2022
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Freigeschaltet durch Mary SmithArbeitgeber und Gewerkschaften in Deutschland erteilen einer automatischen Lohnanpassung an die Inflationsrate, wie es sie in einigen EU-Ländern gibt, eine Absage. Der Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung Deutscher Arbeitgeber (BDA), Steffen Kampeter, sagte den Zeitungen der Funke-Mediengruppe, eine solche Lohnindexierung sei ein "Schönwetterinstrument, aber kein Modell für Deutschland."
Sozialpartnerschaftliche Verhandlungen seien besser für die Menschen als statische Formeln, sowohl in Zeiten wirtschaftlichen Erfolges als auch in Krisen wie Corona oder Inflation. "Das gilt auch für die Vermeidung einer Lohn-Preis-Spirale", fügte Kampeter hinzu. DGB-Vorstandsmitglied Stefan Körzell sagte den Funke-Zeitungen: "Die Sozial- und Tarifpartnerschaft zwischen Arbeitgebern und Gewerkschaften ist eine Erfolgsgeschichte und prägendes Element unserer Wirtschaft. Wir benötigen keinen Automatismus bei der Lohnfindung."
In Belgien, Luxemburg, Malta und Zypern gibt es eine Lohnindexierung, mit der Löhne und Gehälter automatisch an die Inflationsrate gebunden sind. In Belgien wird deshalb erwartet, dass mit dem entsprechenden Gesetz Löhne und Gehälter in diesem Jahr wegen der hohen Inflationsrate um bis zu 9 Prozent steigen könnten. DGB-Vorstand Körzell sagte, natürlich könnten in Tarifverträgen Klauseln ausgehandelt werden, die erneute Lohnanpassungen im Falle veränderter Preisent
wicklungen vorsehen. Er fügte aber hinzu: "Eine zentral für alle Löhne festgelegte automatische Lohnfortschreibung über einen Preisindex, welche Verhandlungen ersetzt, ist aus Sicht der Gewerkschaften aber nicht zielführend."
Außer der allgemeinen Preisentwicklung bestimmten auch die Produktivität und andere Faktoren darüber, welcher Lohn gerecht ist. Körzell betonte aber, die derzeitige Ausnahmesituation mit sehr hohen Inflationsraten lasse sich nicht allein über die Löhne bewältigen, auch wenn die aktuellen Tarifrunden die gestiegene Produktivität und Inflation und auch die mittelfristige Inflationserwartung berücksichtigten. Um die realen Einkommensverluste aufzufangen, seien staatliche Entlastungen notwendig. Auch Politiker aus dem Bundestag und dem EU-Parlament äußerten sich skeptisch bis ablehnend.
Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch sagte den Funke-Zeitungen: "Eine Kopplung der Löhne an die Inflation kann in einer Inflationskrise ein Segen für Beschäftigte sein. Aber in "normalen" Jahren ein dicker Nachteil. Wichtig ist, dass das Lohnniveau insgesamt Schritt hält mit den Gewinnen der Unternehmen."
Gegen die "Inflationslawine" müsse die Koalition von drei Seiten vorgehen: "höhere Löhne und Renten, niedrigere Kosten - gerade für Energie durch Preisdeckel - und ausreichend hohe Direktzahlungen bis in die Mitte der Gesellschaft." Der Vizechef des CDU-Arbeitnehmerflügels (CDA), Dennis Radtke, erklärte: "Eine automatische Anpassung an die Inflation halte ich für keinen klugen Weg. Die Tarifpartner müssen Möglichkeiten zur Gestaltung haben." Der EU-Abgeordnete fügte hinzu: "Sozialpartner sind immer näher am Geschehen in den Betrieben als Politik."
Quelle: dts Nachrichtenagentur