China und Indien schließen bei Forschung und Entwicklung rasant zu Westeuropa und den USA auf
Archivmeldung vom 21.06.2006
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Freigeschaltet durch Jens BrehlNachdem durch die ersten Globalisierungswellen vor allem der Einkauf und die Produktion von Gütern in Niedriglohnländer wie China, Indien oder Osteuropa verlagert wurden, stehen nun vermehrt Forschung und Entwicklung (F&E) im Fokus. Das ist das Ergebnis einer gemeinsamen Studie der Business School INSEAD und der internationalen Strategie- und Technologieberatung Booz Allen Hamilton.
Mittlerweile
ist weltweit nur noch knapp jeder zweite Mitarbeiter aus dem
F&E-Bereich im Heimatland seines Unternehmens tätig. Bei den
befragten deutschen und US-Unternehmen liegt dieser Anteil noch bei
über 70% - mit abnehmender Tendenz. Von der Entwicklung profitiert
seit fünf Jahren Asien und dabei insbesondere China überproportional:
Jeder fünfte der zwischen 2000 und 2004 im Ausland eröffneten
F&E-Standorte wurde in China angesiedelt. Zum Vergleich: 1995
befanden sich nur 2% der weltweiten Forschung und Entwicklung dort -
innerhalb von zehn Jahren ist dieser Anteil auf insgesamt 9%
angestiegen. Die Booz Allen-Studie belegt: Dieser Offshoring-Trend
nach Asien geht weiter. Bis 2009 sind insgesamt drei Viertel aller
neu geplanten Forschungs- und Entwicklungsstandorte in China und
Indien geplant. Knapp die Hälfte davon in China, doch auch Indien
profitiert mit rund 30% Neuansiedlungen von dem Boom. "Mit diesem
enormen Wachstum werden China und Indien den westeuropäischen Raum
als wichtigsten Standort für neue ausländische F&E-Einrichtungen von
US-Unternehmen überholen", so Thomas Goldbrunner, der als Mitglied
der Booz Allen Hamilton-Geschäftsleitung die Studie zusammen mit
INSEAD koordinierte.
Lohnkosten und Marktzugang als entscheidende Standortkriterien
Bei der Auswahl der F&E-Standorte stehen je nach Land und Region
unterschiedliche Motive im Vordergrund. In Deutschland und Westeuropa
sowie den USA sind vor allem die Nähe zu Technologie- oder
Forschungszentren, der Zugang zu Märkten und Kunden sowie
qualifizierte Arbeitskräfte ausschlaggebend. Im asiatischen Raum
hingegen stehen Kostenfaktoren und neue Absatzmärkte im Vordergrund.
Während bei Indien vorrangig die niedrigen Lohnkosten (30%) bei
gleichzeitig hoher Qualifizierung der Mitarbeiter (25%) genannt
werden, ist es bei China hauptsächlich der Zugang zu einem
attraktiven Markt (30%). Nicht unerwartet folgen allerdings auch hier
die niedrigen Lohnkosten (24%) auf dem zweiten Platz.
Kosteneinsparungen und schnellerer Markteintritt durch globale Innovationsstrategie
Die Studie zeigt, dass Unternehmen dann erhebliche Vorteile
erzielen können, wenn sie relevantes Wissen, zum Beispiel über
Kundenbedürfnisse oder Technologien, auf globaler Basis zu ihrem
eigenen Vorteil nutzen. Thomas Goldbrunner: "Unternehmen
unterschätzen die Nachteile, wenn Produkte für lokale Märkte
entwickelt werden, ohne dass die verantwortlichen Manager ausreichend
Kenntnis des lokalen Kontextes haben. Auch im Hinblick auf neue
Technologien und Lösungen gibt es einiges zu entdecken - aber man
muss systematisch danach suchen." Doch genau in diesem Punkt weist
die Studie auf erhebliches Optimierungspotenzial hin: Gut integrierte
und auf den Zugang zu relevantem Wissen optimierte
Innovationsnetzwerke sind bislang eher die Ausnahme. Nur 36% der
untersuchten Projekte waren über mehrere internationale F&E-Standorte
hinweg aufgesetzt und wurden übergreifend koordiniert. 23% der
befragten Unternehmen gaben an, dass Produkte zwar für die lokalen
Märkte adaptiert werden, dass aber kein ausreichender Wissenstransfer
für die Entwicklung stattfindet. Hier besteht noch großer
Nachholbedarf. Denn durch eine unternehmensübergreifende
Innovationsstrategie, die Einbeziehung externer Partner in den
Entwicklungsprozess und den Austausch bzw. die Kombination von Wissen
über Standorte hinweg, lässt sich der Umsatz im zweistelligen Bereich
steigern. Wie die befragten Unternehmen bestätigen, sind allein durch
zentrale Koordination der F&E-Aktivitäten Kosteneinsparungen in Höhe
von knapp einem Viertel (24%) möglich, der Markteintritt beschleunigt
sich sogar um 37%.
Um dieses Potenzial zu erschließen, sollten Unternehmen daher
unter anderem zentralisierte Entscheidungsstrukturen aufsetzen und
standardisierte Systeme, Prozesse und Organisationsstrukturen über
Standorte hinweg implementieren. Aber auch die Qualifikationen der
Führungskräfte sind entscheidend: Innovative Unternehmen fördern
globale und funktionsübergreifende Karrierepfade durch bessere
Aufstiegschancen oder höhere Vergütung.
Über die Studie
Booz Allen Hamilton und INSEAD interviewten für die Studie weltweit 186 Unternehmen über ihre Erfahrungen beim Aufbau und Management von globalen Innovationsnetzwerken, die Effekte der F&E-Globalisierung auf die Kosten, die Innovationsgeschwindigkeit und die Strategien, um international neues Wissen zu generieren. Die befragten Unternehmen aus 19 Ländern und 17 Industriesektoren kommen auf kumulierte F&E-Ausgaben von 76 Milliarden US$ - das entspricht knapp 20% der weltweiten F&E-Gesamtausgaben.
Quelle: Pressemitteilung Booz Allen Hamilton