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Köhler fordert Gewinn- und Kapitalbeteiligungen für Arbeitnehmer

Archivmeldung vom 28.12.2005

Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 28.12.2005 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.

Freigeschaltet durch Thorsten Schmitt

Bundespräsident Horst Köhler hat Gewinn- und Kapitalbeteiligungen für Arbeitnehmer gefordert. In einem Interview mit dem Magazin stern sagte Köhler, er halte "die Zeit für gekommen, die Ertragsbeteiligung der Arbeitnehmer oder ihre Beteiligung am Produktivvermögen wieder auf den Tisch zu bringen".

Er fügte hinzu: "In der Globalisierung können solche Kapitalbeteiligungen in Arbeitnehmerhand dazu beitragen, einer wachsenden Kluft zwischen Arm und Reich entgegenzuwirken." Arbeitgeber und Arbeitnehmer müssten heute begreifen, "dass sie im Betrieb angesichts des weltweiten Wettbewerbs im selben Boot sitzen". Köhler forderte die Arbeitgeber in diesem Zusammenhang auf, ihre Zusagen aus dem Ausbildungspakt einzuhalten und ausreichend Lehrstellen anzubieten. "Arbeitgeber handeln sehr kurzsichtig, wenn sie versuchen auszunutzen, was sie als momentane Schwäche der Arbeitnehmerseite wahrnehmen. Das Streichen von Ausbildungsplätzen zum Beispiel ist für mich der falsche Weg."

Das Staatsoberhaupt plädierte im stern zudem dafür, über ein gesellschaftliches "Grundeinkommen" nachzudenken. In den USA gebe es eine "negative Einkommensteuer: Wer nichts verdient, erhält eine Grundsicherung vom Staat". Zur Begründung sagte das Staatsoberhaupt: "Wir erkennen, dass es wohl eine Art Basisarbeitslosigkeit von vier bis fünf Prozent geben kann, von gering Qualifizierten oder gar nicht Ausgebildeten, und dass ein Teil der Bevölkerung sich innerlich verabschiedet. Diese Menschen dürfen wir nicht im Stich lassen." Die neue soziale Frage des 21. Jahrhunderts laute: "Wie erreichen wir es, dass jeder Einzelne erlebt: Ich werde gebraucht." Zur Höhe des Grundeinkommens wollte sich Köhler nicht äußern, riet aber dazu, "auf dem Teppich zu bleiben". Er wisse, welche Risiken diese Idee berge, "vom erschlichenen Missbrauch bis zur Schwarzarbeit nebenbei". Es dürften "keine falschen Anreize entstehen". Trotzdem müsse man sich von altem Denken lösen und klarmachen: "Kein Bürger verliert den Anspruch, Teil der Gesellschaft zu sein." Köhler sprach sich in diesem Zusammenhang auch für Kombilöhne aus, um einen Niedriglohnsektor zwischen Grundeinkommen und Tariflöhnen zu schaffen. Fast drei Millionen Arbeitslosen fehle eine Berufsausbildung. Für sie müsse trotzdem Arbeit da sein. "Von einem marktbedingten Niedriglohn können sie nicht leben, also muss man ihr Einkommen aufstocken. Das ist staatliche Aufgabe."

Kritisch äußerte sich der Bundespräsident zum Regierungsprogramm der Großen Koalition. Er vermisse "den durchdachten, ausgestalteten Überbau, der klar macht, wie die Welt sich verändert hat und was das Ziel ist". Es gebe "weiter viel zu tun", um den Anspruch "Vorfahrt für Arbeit" zu erfüllen. "Jeder sollte wissen: Je kleiner die Schritte, desto mehr Schritte muss er machen." Das Land stehe "vor gewaltigen Aufgaben, die energisches Tun und enormen Durchhaltewillen verlangen". Mit "purem politischen Kulissengeschiebe" komme man nicht weiter. Die Zusammenarbeit in der Großen Koalition mache ihn jedoch zuversichtlich. "Die Ostdeutschen Angela Merkel und Matthias Platzeck handeln pragmatisch. Es gibt weniger Inszenierung, weniger Politik- und Imponiergehabe". Die Bundeskanzlerin könne "kluge und starke Politik machen". Köhler regte an, "mehr direkte Demokratie" zu wagen und für Ausländer "einen obligatorischen Test über unser Grundgesetz einzuführen".

Deutliche Kritik übte der Bundespräsident am Wahlkampf von Ex-Kanzler Gerhard Schröder. Er sei mit seinen Angriffen auf den Steuerreformer Paul Kirchhof "an die Grenze" gegangen, so dass er selbst überlegt habe, mäßigend einzugreifen. "Ich dachte, es darf doch nicht wahr sein, dass man einen zwar eigenwilligen, aber doch auch klugen Mann wie Paul Kirchhof als Fantasten und Anwalt der sozialen Kälte stigmatisiert." Kirchhof habe als Verfassungsrichter "wegweisende sozialpolitische Urteile geprägt" und es habe mit ihm etwas gegeben, "was es in Wahlkämpfen viel zu selten gibt: eine echte Alternative, etwas inhaltlich völlig Neues". Köhler mahnte: "Es wäre eine Verarmung, wenn nur noch Wahlkampf gemacht wird mit Einschüchterungs- oder Verführungsthesen, wenn nur noch gesagt wird, was Meinungsforscher und Parteistrategen festgelegt und rundgefeilt haben."

Quelle: Pressemitteilung stern, G+J

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