AWO verdient offenbar an Ein-Euro-Jobbern
Archivmeldung vom 22.03.2010
Bitte beachten Sie, dass die Meldung den Stand der Dinge zum Zeitpunkt ihrer Veröffentlichung am 22.03.2010 wiedergibt. Eventuelle in der Zwischenzeit veränderte Sachverhalte bleiben daher unberücksichtigt.
Freigeschaltet durch Thorsten SchmittDie gemeinnützige Arbeiterwohlfahrt ist im Zusammenhang mit der Beschäftigung von Hartz IV-Empfängern in die Kritik geraten. Nach Recherchen von NDR Info verdient die AWO im schleswig-holsteinischen Neumünster an sogenannten Ein-Euro-Jobbern, die sie für 1,25 Euro pro Stunde unter anderem als hauswirtschaftliche Betreuer für bedürftige Senioren einsetzt. Die AWO kassiert allerdings einen Stundensatz von acht Euro von den Senioren. Zusätzlich erhält die Arbeiterwohlfahrt von der Bundesagentur für Arbeit rund 200 Euro pro Monat für jeden Ein-Euro-Jobber.
Dieses sogenannte "Regiegeld" ist dafür gedacht, Hartz IV-Empfänger beispielsweise durch Weiterbildung zu beschäftigen und mögliche Ein-Euro-Jobs zu bezahlen. Auch das Bundesarbeitsministerium interessiert sich für den Fall. Auf Nachfrage von NDR Info teilte eine Sprecherin mit, man werde den Sachverhalt überprüfen.
Die AWO Service GmbH Neumünster, eine Tochtergesellschaft der AWO, bestätigte diese Praxis auch in anderen Fällen. Die Vermittlung und Betreuung der Hartz IV-Empfänger sei sehr aufwendig, daher sei der Stundenlohn von acht Euro zusätzlich zum Regiegeld angemessen und üblich. Die Arbeitsagentur Neumünster - kurz ARGE - zeigte sich von der Praxis der AWO überrascht. Die zuständige ARGE erklärte, mit dem Regiegeld seien die Tätigkeiten der Ein-Euro-Jobber eigentlich abgedeckt. Dass die AWO zusätzlich Geld bekomme, sei bislang unbekannt gewesen, sagte Geschäftsführer Rolf-Dieter Brüggen NDR Info, dies habe man auch dem Bundesarbeitsministerium in Berlin mitgeteilt.
Der Wirtschaftsexperte Rudolf Hickel wirft der Arbeiterwohlfahrt Abzocke vor. Die AWO trete praktisch als Zeitarbeitsfirma auf. Es sei für einen gemeinnützigen Verband unmoralisch, auf der einen Seite Regiegeld zu bekommen und auf der anderen Seite acht Euro Stundenlohn für die Arbeit der Ein-Euro-Jobber zu kassieren. Der Fall müsse dringend überprüft werden. Würden sich Hartz IV-Empfänger mit einem Stundenlohn von acht Euro selbstständig machen, bräuchten sie vermutlich kein Hartz IV mehr. Außerdem sei höchst fraglich, ob die Tätigkeit als hauswirtschaftliche Betreuerin ein klassischer Ein-Euro-Job sei. Laut Gesetz dürfen Ein-Euro-Jobs keine regulären Jobs vom Arbeitsmarkt verdrängen. Als Ein-Euro-Jobberin war eine Hartz IV-Empfängerin von der AWO Service GmbH Neumünster in verschiedene Haushalte vermittelt worden. In ihrem Zeugnis bestätigte die AWO ihr, für die "Reinigung von Seniorenhaushalten", "Wäschepflege" und "Fahrdienste" eingesetzt worden zu sein. Die Frau sagte NDR Info, sie habe hauptsächlich geputzt und ab und zu einkauft.
Quelle: NDR Norddeutscher Rundfunk