Deutsche Ökonomen kritisieren US-Attacke gegen deutsche Exportpolitik
Archivmeldung vom 31.10.2013
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Freigeschaltet durch Doris OppertshäuserMit Unverständnis haben deutsche Ökonomen auf die Kritik der US-Regierung reagiert, Deutschland schade mit seinem Leistungsbilanzüberschuss dem Euroraum und der Weltwirtschaft. "Das amerikanische Finanzministerium weiß nicht, wovon es spricht", sagte Michael Hüther, Chef des Instituts der deutschen Wirtschaft Köln (IW), der "Welt". Der deutsche Erfolg im Außenhandel beruhe nicht auf niedrigen Löhnen, sondern auf wettbewerbsfähigen Unternehmen. Deutschland sei in der exportstarken Industrie ein Hochlohnland.
"Deutsche Unternehmen arbeiten zudem häufig in Segmenten, die die Industrien anderer Länder gar nicht bedienen können." Die Vorwürfe, Deutschland habe eine zu schwache Binnennachfrage, seien schlichtweg falsch: "Dank der stabilen Beschäftigung und dank steigender Reallöhne wächst die Inlandsnachfrage sehr kräftig und hat gegenüber dem vergangenen Jahrzehnt enorm zugelegt." Ähnlich urteilt auch Roland Döhrn, Konjunkturchef des Rheinisch-Westfälischen Instituts für Wirtschaftsforschung (RWI).
"Wer Deutschland empfiehlt, die Binnennachfrage zu stärken, sollte sich erst mal die Zahlen ansehen", sagte Döhrn der "Welt". Nur rund 15 Prozent der privaten Konsumausgaben entfielen auf Importe, mehr Binnennachfrage hätte deshalb einen sehr geringen Einfluss auf die Importe. "Hinzu kommt, dass sich bei vielen Gütern die Importquoten gar nicht mehr steigern lassen." Der Anteil ausländischer Marken bei den verkauften Autos sei beispielsweise schon sehr hoch, und bei Gütern wie Elektrogeräten liege der Anteil ausländischer Fabrikate bei fast 100 Prozent.
Auch Anton Börner, Chef des Außenhandelsverbands BGA, zeigt wenig Verständnis für die Schelte aus Übersee. "Die Kritik der deutschen Exportstärke ist ein alter Hut und wird auch durch ständiges Wiederholen nicht richtig", sagte er der "Welt". "Wir bieten Spitzenprodukte und Topqualität, die weltweit viele Abnehmer findet. Wenn andere Länder nicht ihre Wettbewerbsfähigkeit erhöhen, werden die Überschüsse auch künftig so hoch bleiben. " Als ein kleines Land im Weltmaßstab hätte die Bundesrepublik gar keine Alternative, als Produkte weltweit anzubieten, sagte der BGA-Präsident.
AfD: US-Kritik an Exportüberschüssen "durchschaubares Ablenkungsmanöver"
Der stellvertretende Sprecher der Alternative für Deutschland (AfD), Alexander Gauland, sieht in der Kritik der Vereinigten Staaten an den deutschen Exportüberschüssen "ein durchschaubares Ablenkungsmanöver im Zuge der Spionageaffäre". Die Kritik zeige aber auch, "dass viele westliche Staaten ihren wirtschaftlichen Kompass verloren haben", sagte Gauland in Berlin.
Das Geschäftsmodell der USA und vieler europäischer Staaten, mittels gewaltiger Kreditausweitung und Konsum Wohlstand zu schaffen, sei gescheitert. Statt sich aber nun an Reformen zu wagen und nachhaltigere Geschäftsmodelle zu entwickeln, versuche man die erfolgreicheren Staaten, auf das eigene, niedrigere Niveau zu ziehen, damit man selbst besser dastehe, so der AfD-Sprecher weiter. Dadurch werde aber keinem Arbeiter aus den USA, Frankreich oder Spanien geholfen. "Nachhaltiger wirtschaftlicher Wohlstand entsteht nur dann, wenn einerseits nachgefragte Güter von guter Qualität effektiv produziert werden und man andererseits nicht mehr Geld ausgibt als man einnimmt - leider mangelt es vielen an dieser simplen Einsicht", so Gauland.
Linke: Deutsche Exportüberschüsse "ökonomische Zeitbombe"
Die Linke sieht in den deutschen Exportüberschüssen eine "ökonomische Zeitbombe". "Auf Dauer mehr einnehmen als ausgeben geht in einer globalisierten Wirtschaft nicht", sagte der Vize-Vorsitzende der Linksfraktion im Bundestag, Klaus Ernst, "Handelsblatt-Online". Aus Sicht der Linken muss die harsche Kritik der US-Regierung an Deutschland wegen der anhaltend hohen Exportüberschüsse ernst genommen werden, da diese dem geltenden deutschen Stabilitäts- und Wachstumsgesetz widersprechen würden. "Die hohen Exportüberschüsse sind eine ökonomische Zeitbombe. Das gefährdet die Stabilität Europas. Da muss die neue Bundesregierung ran", sagte Ernst.
Quelle: dts Nachrichtenagentur